Kalziumbedarf und Kalziumstoffwechsel

Das Wichtigste in Kürze:
Das richtige Kalzium-Phosphor-Verhältnis in der Nahrung ist für den Stoffwechsel wesentlich bedeutsamer als die mengenmäßige Zufuhr. Es sollte beim Hund etwa 1 zu 0,8 betragen!
In der Fachliteratur findet man unterschiedliche Angaben zum durchschnittlichen Kalzium- und Phosphorbedarf des erwachsenen Hundes.

Der Bedarf schwankt abhängig von verschiedenen Faktoren: Konstitution, Hormonhaushalt, körperliche Belastung, Einflüsse auf die Resorption durch Vitamin D oder Nahrungsinhaltsstoffe etc. Durchschnittlich liegt er  bei 100 mg Kalzium und 80 mg Phosphor pro Kilogramm Körpergewicht.

Der Kalziumbedarf eines Junghundes liegt über dem des Erwachsenen, ist aber bei weitem nicht so hoch wie oft angenommen. Überhöhte Zufuhr von Kalzium kann, insbesondere bei gleichzeitiger Verschiebung des Kalzium/Phosphor-Verhältnisses, schwerwiegende Folgen für das Wachstum haben.


Im Folgenden werden die grundlegenden Zusammenhänge vereinfacht dargestellt:
Kalzium ist ein für den Organismus besonders wichtiger Mineralstoff. Es bildet gemeinsam mit dem Phosphat den größten Anteil der Hartsubstanz von Knochen und Zähnen. Aber seine Aufgaben sind noch wesentlich vielfältiger. Von besonderer Bedeutung ist Kalzium für die Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskulatur, daher kann eine erniedrigte Kalziumkonzentration im Blut zu Muskelkrämpfen führen. Auch für die Freisetzung von Hormonen, die Wirkung verschiedener Enzyme sowie die Blutgerinnung benötigt der Organismus Kalzium. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, dass die Kalziumkonzentration im Blut in relativ engen Grenzen konstant gehalten wird. Hierzu tragen verschiedene komplexe Regelmechanismen bei. Von besonderer Bedeutung sind das Parathormon (aus der Nebenschilddrüse stammend), das Vitamin D sowie das Hormon Calcitonin (Produktion überwiegend in der Schilddrüse). Diese Faktoren haben gleichzeitig einen wichtigen Einfluss auf den Phosphat-Stoffwechsel (Phosphat wird oft auch als Phosphor oder anorganischer Phosphor bezeichnet). Phosphat verhält sich dabei in gewisser Weise als "Gegenspieler" des Kalzium, daher wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Kalzium-Phosphor-Verhältnis der Nahrung eine wichtige Rolle spielt.
Die Knochen muss man sich auch als einen riesigen Kalziumspeicher vorstellen, aus dem das Kalzium bei Bedarf ins Blut abgegeben werden kann. Die Knochensubstanz ist prinzipiell nichts "ewiges", sie unterliegt ständigen Auf- und Abbauprozessen, die normalerweise in einem Gleichgewicht zueinander stehen. Um Störungen des Kalziumstoffwechsels und damit auch des Knochenaufbaus zu verstehen, ist es also notwendig, einige grundlegende Kenntnisse über die Regulationsmechanismen zu besitzen.

 

Die wichtigste Wirkung von Vitamin D ist es, die Kalziumaufnahme aus der Nahrung im Darm zu steigern, es wirkt also erhöhend auf den Kalziumspiegel im Blut. Gleichzeitig fördert Vitamin D auch die Phosphataufnahme.

Das Parathormon (PTH) hat auch die Funktion, die Kalziumkonzentration im Blut zu erhöhen. Zu diesem Zweck bewirkt es eine Freisetzung von Kalzium aus dem "Kalziumspeicher", nämlich den Knochen. Gleichzeitig verringert es die Kalziumausscheidung über die Nieren und stimuliert die Produktion von biologisch aktivem Vitamin D. PTH erhöht die Ausscheidung von Phosphat mit dem Harn.

Das Calcitonin ist sozusagen der "Gegenspieler" des Parathormons. Es senkt die Kalziumkonzentration im Blut, in dem es die Einlagerung von Kalzium im Knochen verstärkt und die Kalziumausscheidung über den Harn erhöht.Im gesunden ausgewachsenen Organismus stehen diese Prozesse im Gleichgewicht.

Schematisch ist dies in der Abbildung oben rechts dargestellt, wobei die grünen Pfeile die Wege des Kalziums im Organismus darstellen und die Dicke der Pfeile einen Hinweis auf die Mengen geben soll. Es ist ersichtlich, dass nur so viel Kalzium aufgenommen wird, wie im Endeffekt auch verbraucht bzw. ausgeschieden wird. Der Kalziumeinbau in die Knochensubstanz entspricht mengenmäßig der Kalziumfreisetzung aus dem Knochen, so dass die Gesamtsubstanz unverändert erhalten bleibt.

In der Wachstumsphase verschiebt sich das Gleichgewicht dahingehend, dass insgesamt mehr Kalzium in die Knochen eingelagert als wieder herausgelöst wird (zweite Abbildung rechts). Die Annahme, dass dies nun durch eine wesentliche Erhöhung des Kalziumgehaltes der Nahrung gefördert werden muss, ist aber falsch. Der Organismus reguliert seinen Kalziumstoffwechsel durch eine verstärkte Ausnutzung des Nahrungskalziums, also eine verminderte Ausscheidung. Wichtig ist in dieser Phase aber eine bedarfsgerechte Versorgung insbesondere im Hinblick auf das Kalzium-Phosphor-Verhältnis in der Nahrung.

 

Kalziumumsatz beim Hund stark vereinfacht

Kalziumumsatz beim erwachsenen Hund (stark vereinfacht)

   
 

Kaliziumumsatz beim wachsenden Hund

Kalziumumsatz während des normalen Wachstum


 

Die häufigsten Kalzium-Phosphor-Stoffwechselstörungen durch falsche Ernährung sollen nun kurz erläutert werden. Sie können in jedem Lebensalter zu Problemen führen, ein erhöhtes Risiko besteht aber insbesondere in der Wachstumsphase.  

Überschuss von Kalzium in der Nahrung (oft gleichzeitig Vitamin D-Überversorgung):

Hierbei handelt es sich um einen der häufigsten Fütterungsfehler, besonders bei der Aufzucht großer Hunderassen. Es werden der Nahrung (oft auch der gut ausbilanzierten Fertignahrung) zu viel oder die falschen Mineralstoffgemische zugegeben. Diese sind in in den meisten Fällen ("Vitamin-Mineralstoff-Mischungen") auch noch mit Vitamin D angereichert. Die Folge ist eine verstärkte Kalziumaufnahme im Darm, insbesondere bei Welpen und Junghunden, da bei ihnen die Kalziumaufnahme aus der Nahrung im Darm noch schlecht reguliert wird, das Kalzium fließt sozusagen automatisch mit der aufgenommenen Flüssigkeit mit.

Um den Kalziumwert im Blut konstant zu halten wird dann weniger PTH (und vermehrt Calcitonin) ausgeschüttet. Dies hat zur Folge, dass der normale Knochenstoffwechsel durch übermäßige Kalziumeinlagerungen massiv gestört wird. Dauert dieser Zustand längere Zeit an, kommt es beim Wachstum zu sichtbaren Knochenveränderungen. Typisch sind Verbiegungen der langen Röhrenknochen. Gleichzeitig kommt es zu einer erhöhten Kalziumausscheidung im Harn.

 

 Kalziumüberschuss in der Nahrung des Hundes

Kalziumüberschuss in der Nahrung

     

Kalziummangel und / oder Überschuss von Phosphat in der Nahrung:
Im Fleisch kommt wesentlich mehr Phosphat als Kalzium vor. Wird also ein Hund überwiegend mit Fleisch gefüttert, so kommt es zu einer erhöhten Phosphataufnahme bei geringem Kalziumangebot. Der niedrige Kalziumanteil der Nahrung fördert die Phosphataufnahme zusätzlich.

Die Phosphatkonzentration im Blut ist infolge dessen hoch, die Kalziumkonzentration niedrig. Um diesen Zustand auszugleichen, wird verstärkt Parathormon ausgeschüttet. Parathormon fördert einerseits die Phosphatausscheidung über die Nieren, führt aber andererseits dazu, dass vermehrt Kalzium aus dem Knochen heraus gelöst wird, um den Kalziumspiegel im Blut anzuheben. Außerdem bewirkt eine hohe Phosphatkonzentration im Blut über einen Rückkopplungsprozess eine verminderte Vitamin D-Synthese, wodurch sich wiederum die Kalziumaufnahme aus der Nahrung weiter verschlechtert.
Das Ergebnis sind starke Wachstumsstörungen mit Formveränderungen und Verbiegungen der Knochen sowie Störungen in der Gelenkentwicklung.

 

 Kalziummangel bei Phosphatüberschuss in der Nahrung des Hundes

Kalziummangel bei Phosphatüberschuss in der Nahrung

     
Vitamin D-Mangel:
Der Mangel an Vitamin D in der Wachstumsphase führt zum Krankheitsbild der Rachitis (tritt der Mangel beim erwachsenen Tier auf, so spricht man von Osteomalazie). Dieses Problem findet man hierzulande nur noch selten. Auslöser ist eine Vitamin D-arme (und meist gleichzeitig kalzium- und phosphorarme) Ernährung, in der Regel also eine allgemeine Mangelernährung. Oft wird vermutet, dass Vitamin-D-Mangel beim Hund, speziell bei Welpen aus schlechter Aufzucht (dunkle Scheunen, Kellerräume etc.) durch den Mangel an Tageslicht entsteht. Richtig ist, dass beim Menschen die Produktion von aktivem Vitamin D auch unter Einwirkung von UV-Licht in der Haut stattfindet. Beim Hund ist dies nicht der Fall.
Die Folge des Vitamin D-Mangels ist eine Verminderung von Kalzium und Phosphat im Blut und folglich auch in der Knochensubstanz (das Verhältnis zwischen den beiden Mineralstoffen bleibt hier normal). Die Kalziumaufnahme im Darm ist stark eingeschränkt, Kalzium wird zum Ausgleich des Mangels aus den Knochen herausgelöst. Es kommt zur "Knochenweiche" mit ausgeprägten Deformationen des Skeletts. In schweren Fällen kann der Kalziummangel im Blut sogar zu Muskelkrämpfen führen.
 

Vitamin D Mangel beim Hund

Folgen des Vitamin D-Mangels für den Kalziumstoffwechsel bei normalem Kalziumgehalt der Nahrung

Es gibt noch eine Reihe weiterer Störungen des Kalziumstoffwechsels, besonders bedingt durch hormonelle Veränderungen (z.B. krankhafte Veränderungen der Nebenschilddrüsen mit Überproduktion oder Mangel an Parathormon) oder schwere Nierenerkrankungen (verminderte Vitamin D-Produktion, verminderte Phosphatausscheidung). Diese treten überwiegend beim erwachsenen Hund auf.

Sollten Sie bei Ihrem Hund eine Störung des Kalziumstoffwechsels vermuten, dann beraten Sie sich unbedingt mit einem erfahrenen Tierarzt!


 

Problematisch ist, dass die meisten Grundnahrungsmittel des Hundes wenig Kalzium enthalten. Fleisch und pflanzliche Produkte, die ja die Basis des Hundefutters darstellen, sind eher kalziumarm. Der Mensch bezieht den größten Teil seines Kalziumbedarfs aus Milch und Milchprodukten, die wiederum bei der Hundeernährung eher eine geringe Rolle spielen, zumal der Hund im Verlaufe seines Wachstums die Fähigkeit verliert, Milchzucker zu verdauen und Milchprodukte in größerer Menge verfüttert daher zu Durchfall führen können. Das einzige kalziumreiche "natürliche Nahrungsmittel" des Hundes sind Knochen. Eine weitere Möglichkeit der Kalziumzufuhr bilden Kalkpräparate und Mineralstoffmischungen. Bei letzteren ist allerdings genau auf die Zusammensetzung und die Dosierungsanweisung zu achten, denn sie enthalten in der Regel neben weiteren Mineralstoffen auch Vitamine. Insbesondere der Zusatz von Vitamin D führt dazu, dass Kalzium auch in für den Hund nicht mehr zuträglichen Mengen sozusagen "zwangsweise" im Darm aufgenommen werden könnte.
Dem Fertigfutter für Hunde wird Kalzium in Form von gut resorbierbaren Verbindungen und in der Regel in der notwendigen Menge hinzugefügt, hier ist nur in seltenen Ausnahmefällen (nach tierärztlicher Verordnung) eine zusätzliche Gabe erforderlich.

Zusammenfassend ein paar praktische Tipps:

  • In der Regel sind Fertigfutter im Hinblick auf den Kalziumgehalt gut ausbilanziert. Allerdings ist zu beachten, dass die Kalzium- und Phosphatkonzentration von den Futtermittelherstellern im Verhältnis zur Energiedichte berechnet wird. Vereinfacht gesagt: Das Kalzium- und Phosphatangebot ist dann optimal, wenn Sie in etwa die Menge Fertigfutter verfüttern, die in den Empfehlungen des Herstellers angegeben wird. Wenn Sie Ihren Hund allerdings auf Diät setzen oder viele zusätzliche "Leckereien" verabreichen, kann dies zu einer Unter- oder bei mit Vitaminen und Kalzium angereicherten Leckerlis auch Überversorgung führen.
  • Wenn Sie Fertigfutter in erheblichem Umfang mit selbst hergestellten Rationen mischen, ist die Ausbilanzierung nicht mehr gewährleistet. In diesem Falle sollte man tatsächlich stichprobenartig nachrechnen, wie hoch die Gesamtkalziumzufuhr ist. Gegebenenfalls müssen Mineralstoffpräparate zugesetzt werden. Bitte beraten Sie sich im Zweifelsfall, insbesondere in der Aufzuchtphase, mit einem erfahrenen Tierarzt!
  • Bei selbst hergestellten Rationen empfiehlt es sich, den Kalziumbedarf genauer zu berechnen. Dieser ist abhängig von der Futterzusammensetzung und wie bereits beschrieben auch vom Phosphatgehalt des Futters. Darauf abgestimmt sollten Sie Art und Menge eines Mineralstoffgemisches wählen. "Das ideale Mineralstoffgemisch für alle Fälle" gibt es nicht.
  • Eine Alternative ist es, bei selbst hergestellten Rationen (insbesondere im Rahmen der Rohfütterung = "BARF") die Kalziumzufuhr über Knochenverfütterung zu gewährleisten. Aber ACHTUNG: Nur weiche, nicht splitternde, ungekochte Plattenknochen verfüttern oder alternativ Knochenmehl aus nachweislich ökologischer Herkunft verwenden.