Countdown DCM V - Schlussbetrachtung: Risiko und Nebenwirkungen von "Schallen light"

Nach der Präsentation der ersten Ergebnisse von Jan Gerd Kreskens Langzeittudie zur DCM der Deutschen Dogge im Rahmen des Kongresses “Experten erklären” im Oktober 2012 und dem kurz darauf verkündeten Schulterschluss zwischen Dr. Kresken und dem DDC war zunächst Grund zur Hoffnung gegeben, dass bis zu der ein Jahr später stattfindenen Hauptversammlung des DDC ein auf der Einführung einer Herzschallpflicht beruhendes sinnvolles Zuchtprogramm zur Bekämpfung der DCM erarbeitet worden sein wird.


Leider zeigten sich im Vorfeld der HV im Rahmen der Suche nach einem mehrheitsfähigen Antrag schnell deutliche Hinweise auf das Zustandekommen einer möglichst zuchtselektionsdruckfreien Herzschallpflicht im gemeinsamen Einverständnis von DDC und CC – Schallen light sozusagen. Dies wirft zunächst die Frage auf, wieso eine Vorsorgeuntersuchung zum Nachweis einer zweifelsohne bedeutsamen schweren Erkrankung den stimmberechtigten Delegierten durch ein Maximum an Zugeständnissen schmackhaft gemacht werden muss… beispielsweise indem man ihnen verspricht, der Öffentlichkeit die Ergebnisse der Herzuntersuchungen vorzuenthalten, sie also anonymisiert zu registrieren. Der schwarze Peter für diese bei verantwortungsvollen Doggenzüchtern hochumstrittene Vorlage wird im Rahmen der Formulierung des Antrages des Clubvorstandes interessanterweise vollständig JG Kresken und H Eichelberg zugeschoben, auf deren "ausdrücklichen Vorschlag" die Untersuchungsergebnisse anonym gehalten werden. Es wäre hier interessant zu erfahren, wer an einer solchen Vorgabe überhaupt Interesse haben könnte... hat der Erkenntnisprozess hinsichtlich der Notwendigkeit, im Rahmen einer gesundheitsorientierten Zuchtpolitik vollständige Informationen transparent bereitzustellen, bei einem erheblichen Teil der Züchter noch nicht stattgefunden? Die optimistische Einschätzung, dass die Mehrheit der Züchter "im Eigeninteresse...die richtigen Entscheidungen treffen" wird, sobald der Herzschall verpflichtend geworden ist, muss man dann nicht zwingend teilen: Es ist zumindest bislang keine deutliche Tendenz zu erkennen, dass korrekt geschallte Rüden bevorzugt zur Zucht eingesetzt werden.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Begründung für die Auswahlkriterien der in die Schallpflicht genommenen Zuchttiere: "Es ist wenig sinnvoll, nur ältere Tiere zu untersuchen, da diese für eine mögliche Folgeuntersuchung evtl. nicht mehr zur Verfügung stehen, dadurch würde das Gesamtbild verfälscht."
Eine simple Auswertung der gleichzeitig im Antrag des Vorstandes veröffentlichten Zahlen mag hingegen hilfreich sein, um sich die zu erwartende "Repräsentativität" des Schallens ausschließlich von aktuell in der Zucht eingesetzten Hunden hinsichtlich der Prävalenz von DCM vor Augen zu halten: 95% der 2011 zur ZZL vorgestellten Doggen waren jünger als 5 Jahre, 50% jünger als drei Jahre. Wie lange diese Tiere generell im Zuchtbetrieb bleiben und also bei regulären Zweijahresabständen erneut geschallt werden müssen, ist nicht erkennbar. Auch ist die Option, in Zukunft insbesondere Zuchtrüden im jugendlichen Alter noch massiver zur Zucht einzusetzen und sie dann sicherheitshalber vor dem zweiten Herzuntersuchungstermin in den Vorruhestand zu schicken, wohl kaum von der Hand zu weisen. Die Probandenvorauswahl ist somit ebenso wie die übrigen Rahmenbedingungen für den Nachweis der Bedeutung einer Erkrankung, die meist erst im späteren Erwachsenenalter auftritt, völlig ungeeignet, jedoch eine hervorragende Ausgangsbasis, um die Bedeutung der DCM weiterhin kleinzureden.

Eine Antwort auf die ihm auch diesbezüglich gestellten Fragen zu seinem Artikel in der uDD (April 2013) ist JG Kresken im übrigen schuldig geblieben...wirklich überraschend ist dies nicht. Die Art und Weise, wie den Boxerclubs durch Hervorhebung der Herzgesundheit der Rasse in Deutschland Lob zuerkannt wird, der Dobermann-Club hingegen einen Tadel erhält, weil der die ähnlich "günstigen" Ergebnisse des Herzschalls der (Jung)hunde prompt dazu genutzt hat, dem CC die Pflichtprobanden wieder zu entziehen, hat schon eine gewisse Aussagekraft. Der Zuchtleiter des BK betont gar in seinem Jahresbericht 2012 unter anderem in Bezugnahme auf die zuchthygienisch wenig sinnvolle derzeitig einmalige Schallpflicht (welche ja bekanntlich zur Früherkennung der Boxerkardiomyopathie ohnehin ungeeignet ist), dass das Maß der zumutbaren Auswahlkriterien für Zuchthunde und Züchter mehr als übererfüllt ist.

Nun ist von einer Gesundheitsorientierung der Zuchtpolitik im vom CC mitgetragenen Antrag des Clubvorstandes noch nicht einmal die Rede...es wird vielmehr eine mindestens 2 Jahre andauernde Datenerhebungsphase vorgeschlagen, um genauere Informationen zur Bedeutung der DCM bei den Deutschen Doggen des DDC zu erhalten. Ein unstillbarer Hunger nach absolut unanfechtbaren Forschungsergebnissen befällt den Rassenclub scheinbar dann, wenn durch deren Einforderung die Einführung zuchthygienischer Maßnahmen hinausgezögert werden kann.

Paradoxerweise schlägt der Vorstand in einem weiteren Antrag beispielsweise vor, in der Zuchtordnung den Inzuchtkoeffizienten als Kriterium für Inzucht durch den Ahnenverlustkoeffizient zu ersetzen, mit der bemerkenswerten Begründung, letzterer sei "einfacher zu berechnen" und dass er "für die Zucht vollkommen ausreicht." Ferner wichen beide Werte nur geringfügig voneinander ab und seien überdies ohnehin nur Schätzwerte. Dass der IK niedrig, der AVK hingegen extrem hoch sein kann, wenn zwei ingezüchtete, aber untereinander wenig verwandte Hunde miteinander verpaart werden, sollte eigentlich jedem Zuchtinteressierten bekannt sein. Da einer der wichtigsten Parameter der Genetik der Grad der Homozygotie des Erbgutes ist, welcher wiederum durch den IK, nicht aber durch den AVK ausgedrückt wird, findet letzterer in der wissenschaftlichen Genetik üblicherweise nicht einmal Verwendung.

Es ist auf den ersten Blick verständlich, wenn ein auf der HV angenommener Antrag zum “Schallen light” als Spatz in der Hand und ein abgelehnter Antrag für ein sinnvoll umrahmtes vollwertiges Herzschall-Programm als Taube auf dem Dach empfunden wird. Aber man sollte sich die möglichen Risiken und Nebenwirkungen einer Vorgabe gemäß des Prinzips “Erstmal ein bisschen Schallen und dann weitersehen” stets vor Augen halten: Insbesondere die Gefahr, dass die Dogge bei der Wahrnehmung der Eigeninteressen der übrigen Beteiligten einmal mehr auf der Strecke bleibt und die anonyme Datenerfassungsphase ein Dauerzustand wird, der es dem Zuchtverein erlaubt, in quasi unveränderter Form weiterzuzüchten und sich gleichzeitig im schönen Schein des gesundheitsorientiert denkenden Rasseclubs zu sonnen.
Was der DDC also nach mindestens zwei für die Doggen verlorenen Jahren entscheiden wird...man darf gespannt sein.

Vermutlich wird daran nichts zu ändern sein...kritiklos beklatschen sollte man es aber nicht: Jeder an der Wahl und der Umsetzung einer unzureichend umrahmten Schallpflicht direkt oder indirekt Beteiligte trägt eine Mitverantwortung für deren Konsequenzen.