Autosomal - Gonosomal - Was denn noch mal?

Überlegungen eines Hobbygenetikers zur Vererbung der DCM bei der Deutschen Dogge

Genetik kann einfach sein - das ist beispielsweise überwiegend der Fall bei der Vererbung der Fellfarben, die als Einzelgene mit ihren Allelen vor sich hin mendeln.

Leider ist das eher die Ausnahme... in den meisten Fällen ist das Zusammenspiel von Genen ein komplexer Vorgang, der es notwendig macht, sich ein wenig gründlicher mit der Materie zu befassen, um die Bewegungen in der Forschung nachvollziehen zu können.

Dies betrifft aktuell die Annahmen zur Vererbung der DCM bei der Dogge. Hier wurde von Meurs et al. im Jahre 2001 aufgrund der Auswertung der Ahnentafeln von 17 Doggen eine geschlechtschromosomenabhängige Vererbung postuliert. Die Tatsache, dass in weiteren Untersuchungen, stets ein deutlich höherer Anteil an erkrankten Rüden festgestellt wurde, scheint diese Annahme zu unterstützen. In der kürzlich publizierten Arbeit von Stephenson et al. (2012) war hingegen der Anteil an betroffenen Hündinnen ähnlich groß wie der Anteil an Rüden. Zudem wies hier die Analyse der Ahnentafeln eher auf einen autosomal-dominanten Erbgang hin.

Man kann schon hier festhalten, dass es zum aktuellen Zeitpunkt keine definitive Antwort auf die Frage gibt, wie diese unterschiedlichen Ergebnisse zustande kommen. Ein möglicher Erklärungsansatz wäre die Annahme der Existenz unterschiedlicher Gendefekte, die alle zum klinischen Bild der DCM führen. Dies ist eine durchaus realistische Annahme in Anbetracht der Tatsache, dass bei der Dogge zwei histologisch unterscheidbare Formen und unterschiedliche klinische Verläufe der DCM existieren. Für die genetische bedingte DCM beim Menschen wurden übrigens bislang über 20 Gendefekte nachgewiesen, von denen die meisten autosomal dominant und einige autosomal rezessiv sowie geschlechtschromosomenabhängig (gonosomal) sind.

Es ist schwer nachvollziehbar, wie ein einfacher (monogener) autosomal dominanter Gendefekt dazu führen könnte, dass bei Doggen in den meisten Fällen eine deutlich höhere Zahl von an DCM erkrankten Rüden nachgewiesen wird. Hier könnte die Existenz weiterer beeinflussender Gene angenommen werden (polygener Erbgang), die sich zumindest zum Teil auf dem X-Chromosom befinden, denn ansonsten sollten Hündinnen im Falle eines autosomalen Gendefektes gleichermaßen betroffen sein. Beim Irischen Wolfshund, dessen klinische Formen der DCM denjenigen der Dogge sicherlich am ähnlichsten sind - auch, was das überwiegende Erkranken von Rüden betrifft - , wurde von Distl et al. 2007 ein gemischter monogen-polygener Erbgang postuliert, bei dem sich das Hauptgen auf dem X-Chromsom befindet und weiter beteiligte Polygene auf anderen Chromosomen vermutet werden können.

JG Kresken verweist hinsichtlich des Erbganges auf die aktuelle Studie von Stephenson et al. und deren Postulat des autosomalen Erbganges, auch wenn in der von ihm vorgestellten Arbeit zur DCM bei der Dogge, wie schon erwähnt, deutlich vermehrt Rüden betroffen waren. Allerdings distanziert er sich sofort deutlich von der Vermutung, dass ein einfacher monogener Erbgang vorliegen könnte, der wie erwähnt kaum mit einer ungleichen Geschlechterverteilung in Einklang zu bringen wäre. Wer JG Kreskens Ausführungen zu den vermuteten Erbgängen der DCM aufmerksam zugehört hat (siehe “DCM bei der Deutschen Dogge” von Ruth Stolzewski) und wer dazu noch die Hintergründe ein wenig kennt, dem wird klar, warum er sich so deutlich von der Möglichkeit eines MONOGENEN X-chromosomalen Erbgang distanziert und von daher einen zuverlässigen Gentests für die DCM bei der Dogge, wenn er denn überhaupt jemals existieren sollte, erst in sehr ferner Zukunft für möglich hält. Wir wollen die Hintergründe hier ein wenig erläutern.

Kathryn Meurs, die den X-chromosomalen Erbgang für die DCM bei der Dogge postuliert hat, forscht mit Unterstützung des GDCA nach Kandidatengenen und einem entsprechenden Gentest. Die in Deutschland forschenden Kardiologen haben allerdings schon zweimal Erfahrungen machen müssen mit von K Meurs entwickelten Gentests für Herzerkrankungen, die sich als untauglich erwiesen.

Der erste Fall betraf die HCM (Hypertrophe Cardiomyopathie) bei der Maine Coon-Katze: Hier erwies sich die von Meurs et al. gefundene Mutation als ungeeignet zur Erstellung eines Gentests, da die genetische Grundlage der Erkrankung wesentlich komplexer war als ein monogener Erbgang mit vollständiger Penetranz. Eine Doktorarbeit aus der Uni München beruht in wesentlichen Teilen auf dem Nachweis der Untauglichkeit der kommerziell angebotenen Gentests, die keine Voraussagekraft hinsichtlich des Erkrankungsrisikos besitzen:

Im Jahre 2012 veröffentlichten Meurs et al. eine Arbeit zu einer Mutation, die zur DCM beim Dobermann führt. Auch diese Entdeckung wurde übereilt, bereits vor deren Veröffentlichung, als Grundlage für einen Gentest verwendet. Im Jahre 2011 wurde in einer Studie von der Arbeitsgruppe um G Wess eine weitere Mutation beschrieben, die signifikant mit der Entstehung von DCM beim Doberman zusammenhängt. In der Veröffentlichung wird bereits deutlich darauf hingewiesen, dass hier kein einfacher monogener Erbgang vorliegt, der die Entwicklung und sinnvolle Verwendung eines entsprechenden Gentest ermöglichen würde: “However, even within the Doberman Pinscher breed, DCM is not a simple monogenic trait where a single mutation with full penetrance is responsible for all cases.”

Die Antwort von  Kathryn Meurs auf eine kritische Anmerkung von G. Wess zur Validität ihres Gentests (seine Stellungnahme dazu ist auch nachzulesen auf der Website der Tierkardiologie der LMU Müchen) wurde auf ihren ausdrücklichen Wunsch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und illustriert recht deutlich die Diskrepanzen der Sichtweisen.

From: Meurs, Kathryn [mailto:meurs[at]vetmed.wsu.edu]

Sent: Saturday, November 06, 2010 7:01 PM
To: Susan Claggett; Kathy Davieds; AA - Brian Claggett
Cc: gwess[at]med.vetmed.uni-muenchen.de
Subject: RE: U.S. genetic testing decision Dr. Gerhard Wess


Dear Susan and all Doberman pinscher lovers,

I have copied this email to Dr. Wess (as well sending him a private email) so that all of this is out in the open. I am unsure why Dr. Wess made the statements that he did. He was in the audience when I presented our work at our national cardiology meeting in June of this year and he did not ask any questions or raise any concerns about the science of our study at that time so I had no indication that he was skeptical of our findings.

I am afraid that at some point Dr. Wess has decided that we are competitors as he has previously tried very hard to discredit one of our earlier studies where we identified a genetic mutation that causes Hypertrophic Cardiomyopathy in the cat. Dr. Wess and I are both veterinary cardiologists so you would think we could be united in our work for the betterment of animal heart health but somehow this is not the case, I regret this and would hope that someday we could work together.

As well as being a veterinary cardiologist I have also done a PhD and postdoctoral work in the field of genetics and trained in the laboratory of the researcher who discovered the first cause of dilated cardiomyopathy in human beings. I have identified 3 genetic mutations in animals to date, not including this one , and those 3 have been published in high impact genetics journals as listed below

  • Meurs KM, Sanchez X, David RM, Bowles NE, Towbin JA, et al. Identification of a missense mutation in the cardiac myosin binding protein C gene in a family of Maine Coon cats with hypertrophic cardiomyopathy. Human Molecular Genetics, 14, 2005, 3587-3593
  • Meurs KM, Norgard MM, Ederer MM, Hendrix KP, Kittleson MD. A substitution mutation in the myosin binding protein C gene in Ragdoll cats. Genomics, 90, 2007,261-264.
  • Meurs KM, Mauceli E, Lahmers S, Acland GM, Lindblad-Toh K
  • Genome-wide association identifies a mutation in the 3’ untranslated region of Striatin, a desmosomal gene, in a canine (Boxer) model of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy. Human Genetics 128, 2010, 315-324.

Although I presented our work for Dr. Wess (which did actually include our clinical studies as well), I have not actually seen any of his genetic work, however, as we discussed when I presented the information on our mutation at the National, it is very possible that there is more than 1 genetic mutation in the Doberman that can lead to the development of cardiomyopathy. We know that this is the case in the Maine Coon cat with Hypertrophic cardiomyopathy and in human beings there are many different genetic causes of cardiomyopathy. So this could be a possible explanation for Dr.Wess’s findings. Regrettably, genetics is much more complex than we would like!

The important thing is that our finding and perhaps Dr. Wess’s findings ARE associated with the development of dilated cardiomyopathy the Doberman pinscher., Given the severity of this disease in this breed I strongly encourage you to screen and use all of our findings as much as possible to gradually decrease the prevalence of this disease in this wonderful breed.

I will not make further comment on these emails since I think my time is better served trying to help you by working hard on the study of this disease,

Best regards, Kate

PS- PLEASE FEEL FREE TO DISTRIBUTE THIS EMAIL TO OTHERS

 

Ein Gentest, der nicht korrekt funktioniert, ist wohl eines der größten Desaster, die einer gesundheitsorientierten Zuchtpolitik wiederfahren können: Es werden einerseits Tiere aus der Zucht genommen, die keinerlei Risiko hinsichtlich der Erkrankung darstellen und andererseits Tiere als erbgesund erklärt, auf die dies nicht zutrifft. Zudem sind die zwangsläufig eintretenden Misserfolge (erkrankte Nachkommen bei angeblich erbgesunden Eltern) Wasser auf den Mühlen der Menschen, die wissenschaftlich geprägte Bemühungen für eine gesundheitsorientierte Zuchtpolitik ohnehin als unzulässige Einmischung in die Belange der Züchter betrachten.

Vor diesem Hintergrund sollten die Aussagen JG Kreskens hinsichtlich der Überlegungen zum Erbgang der DCM bei der Dogge betrachtet werden: Man mag sie unter anderem als mediales Sperrfeuer gegen die erneut drohende Gefahr der übereilten Kommerzialisierung eines untauglichen Gentests zum angeblichen Nachweis der DCM bei der Deutschen Dogge betrachten, indem insbesondere der vermutlich polygene Charakter des Erbganges betont und die Option hervorgehoben wird, dass ein mögliches Hauptgen nicht auf dem X-Chromosom liegt.

Hoffen wir nun, dass der zwar späte, aber nichtsdestoweniger lobenswerte und seit langem von den Hobbygenetikern geforderte Schulterschluss des DDC mit den Fachleuten auf dem Gebiet der DCM durch das aufrichtige Bestreben geleitet ist, gesündere Doggen zu züchten, und entsprechende Früchte trägt.