Offener Brief

Offener Brief an     Dr. Ina Pfeiffer    Horst Fischbach   Detlef Gügel

Bezüglich des Kapitels zur Farbvererbung der Gefleckten Deutschen Dogge im Buch

„DIE VERERBUNG DER FELLFARBE BEI DER DEUTSCHEN DOGGE“ (Seiten 37-49)

 

Take Home Message:

Das genannte Kapitel enthält in seiner jetzigen Form zahlreiche Fehler und un- oder missverständliche Aussagen. Es ist daher in keinem Fall dazu geeignet, sich mit der Vererbung der Farbe von Gefleckten und Grautigern vertraut zu machen, sondern birgt im Gegenteil die Gefahr,  sich durch die enthaltenen Fehlinformationen in die Irre führen zu lassen. Von der Lektüre muss dringend abgeraten werden.

 

Zusammenfassende Erläuterung:

Die unabdingbare Notwendigkeit, vor dem Kapitel dringend zu warnen, begründet sich in der Tatsache, dass sich die Fehlerhaftigkeit in wiederholter Weise als zielgerichtet darstellt: Immer wieder wird durch falsche Darstellungen die Gefahr der Geburt tauber Doppel-Merles heruntergespielt oder gar weggeredet (wenn Doppel-Merles zum Beispiel  unsinnigerweise als „Piebald-Grautiger“ bezeichnet oder bei der Auflistung der möglichen Nachkommen „vergessen“ bzw. zu Gefleckten umgewidmet werden). Selbst das Risiko für Doppel-Merle, Behinderungen aufzuweisen, wird im Zusammenhang mit Doggen unverständlicherweise in Frage gestellt. Andererseits wird immer wieder mit großem Nachdruck vor dem Genotyp HH gewarnt…der lediglich die Wurfgröße vermindert, aber keinesfalls jemals für behinderte Welpen verantwortlich ist.

Ein verantwortungsvoller und gut informierter Doggenzüchter wird im Einklang mit den FCI-Bestimmungen  aufgrund des Doppel-Merle-Risikos niemals zwei Merle-Träger untereinander kreuzen. Ich halte es daher für unverzichtbar, vor der in dem besprochenen Kapitel enthaltenen Desinformation dringend zu warnen.

 

Tugenden wie Offenheit und Ehrlichkeit werden gefragt sein, wenn wir uns der Herausforderung stellen, unsere Hunde gesunder zu machen.

Aus der Danksagung von Detlef Gügel am Ende des Buches……

 

Detaillierte Darstellung

Frau Dr. Pfeiffer, Sie haben im Auftrag des DDC den obengenannten Leitfaden geschrieben, dessen Kapitel zu den Gefleckten Doggen zu großen Teilen Ihrem Artikel in der DDC-Zeitschrift uDD von Januar 2010 entnommen ist.  Dieser enthielt bereits krasse sachliche Fehler und ausgesprochen missverständliche Kommentare, auf die ich damals in einem (nie veröffentlichten) Leserbrief hingewiesen hatte.

Im entsprechenden Kapitel haben Sie nun einige der gröbsten Absurditäten, die ich angesprochen hatten, fallen gelassen: So behaupten Sie nun nicht mehr, dass homozygote H-Träger als „annähernd fast schneeweiße Doggen“ geboren werden könnten. Auch die völlig unverantwortliche Anpreisung der Kreuzung einer Gefleckten Dogge mit einem Doppel-Merle als „vielversprechend“ sowie die Behauptung, hierbei würden nur Grautiger und Gefleckte entstehen, hat eine Wandlung erfahren: Nun gilt diese Anpaarung als „interessant“ und statt der Bezeichnung „gefleckt“, die man anständigerweise für die echten doppel-heterozygoten Harlekine MmHh reservieren sollte, benutzen Sie im ersten entsprechenden Kreuzungsbeispiel (MmHhxMMhh) die Formulierung „mit Fellflecken ausgestattet.“ Ich möchte erwähnen, dass auch dies unkorrekt ist, da bei dieser ausgesprochen risikoreichen und daher unakzeptablen Verpaarung auch der Genotyp MMHh fällt, der zur Entstehung rein weißer Doggen führen kann und dies häufig auch tut. Beim zweiten aufgeführten Kreuzungsbeispiel Gefleckt mit Doppel-Merle (MmHhxMMHh) verfallen Sie allerdings bereits wieder der Unart, Doppel-Merles den Gefleckten zuzuordnen.

 

Andere fehlerhafte Aussagen sind unkorrigiert wörtlich übernommen worden: So behaupten Sie immer noch, es gäbe „keine wissenschaftlich repräsentativen Untersuchungen, durch welche Gene oder Vererbungsschemata dieses graue Haarkleid bei Doggen hervorgebracht wird“…und doch zitieren Sie mehrfach selber die Studie von Clark et al von 2006, die genau dies getan hat: Das Merle-Gen bei gefleckten Doggen und Grautigern nachzuweisen.

Auch wurde die Behauptung beibehalten, dass nach der Kreuzung von Gefleckt mit Grautiger neben Grautigern „auch gefleckte Hunde mit hohem und weniger umfangreichen Weiß-Anteil“ fallen. Hier verschweigen Sie erneut die Doppel-Merles, indem Sie sie wieder einmal den „Gefleckten“ zurechnen. Generell wird in Ihrer Abhandlung die Bezeichnung „Doppel-Merle“ nicht ein einziges Mal zur Beschreibung eines Kreuzungsergebnisses benutzt. Das ist nicht nur missverständlich sondern wissenschaftlich ausgesprochen unseriös, zumal wenn man angeblich  Klarheit zum genetischen Hintergrund schaffen will: Seit dem Postulat des Harlekin-Gens sollte wohl jeder seriöse Genetiker die Bezeichnung „Gefleckter“ oder „Harlekin“ ausschließlich für den doppelt-heterozygoten Genotyp MmHh reserviert haben.

Ich möchte hier nochmals genauer auf Ihre Abhandlung des Merle-abhängigen Risikos für die angeborene Beeinträchtigung der Sinnesorgane - insbesondere Taubheit - eingehen. Auch hier sind Ihre Angaben und Ausführungen un- oder missverständlich:  Es ist unbestritten, das Doppel-Merles signifkant häufiger mindestens taub und teilweise auch anderweitig behindert sind als andere Hunde. Es gibt auch keine  „aktuellen Forschungsergebnisse“ mit Widersprüchen über das Ausmaß der Behinderung, sondern lediglich Hypothesen zu einem sich andeutenden Unterschied zwischen einer bestimmten stark durchpigmentierten Rasse, dem Catahoula, bei der die Doppel-Merle seltener von Taubheit betroffen zu sein scheinen und den anderen Merle-Trägern wie den Collie-Artigen und Doggen, bei denen Doppel-Merle mit hoher Wahrscheinlichkeit taub sind : Es wird hier vermutet, dass andere „Weiß-Faktoren“ wie Piebald das Taubheits-Risiko additiv erhöhen und daher der Genotyp des Doppel-Merle sich in diesem Fall gravierender auswirkt. Da die Dogge viele der bekannten „Weiß-Faktoren“, wie das Piebald-, das Harlekin- und auch das hypothetische „True-Irish“-Gen aufweisen kann, darf man sie ohne weiteres zu den hochrisikobehafteten Rassen für Doppel-Merle-Taubheit zählen und ich kenne auch keinen Wissenschaftler, der hieran Zweifel äußern würde. Dass dies aus Ihren Erläuterungen nicht gerade deutlich wird, ist ein milder Euphemismus.

Die von Ihnen zitierten Arbeiten von Wegener an Merle-Dackeln, bei denen auch die einfachen Merle-Träger zu einem sehr hohen Anteil (über 30% im Vergleich zu über 50% bei den Doppel-Merles) Abnormitäten der Sinnesorgane aufwiesen, sind wiederum im vorliegenden Zusammenhang glücklicherweise obsolet, denn es handelt sich hier wohl um eine Rassespezifität des Teckels, die auf keine andere Rasse zutrifft, was auch hinlänglich bekannt ist. Es ist daher eher missverständlich, dass Sie später im Kapitel noch einmal ausdrücklich betonen, dass Doggen-Grautiger, also einfache Merle-Träger, in der Regel keine Behinderungen aufweisen: Zum einen wird dies von keiner Seite abgestritten und zum anderen steht dies bei den Kreuzungsfragen gar nicht zur Debatte. Es ist allerdings völlig absurd und absolut unverständlich, dass Sie hiernach die Frage anschließen, in wie weit Merle gekoppelte Vitalitäts-Problematiken überhaupt im Zusammenhang bei der Deutschen Dogge stehe…als würde es auch nur ansatzweise in Frage stehen, dass der Doppel-Merle-Status bei der Dogge häufig Taubheit und andere Behinderungen nach sich zieht ! Zu allem Überfluss stellen Sie schließlich die Behauptung auf, „Kreuzungen zwischen gefleckten Doggen mit Hunden die hh (homozygot) Genstatus vorweisen, (wären) nicht wirklich in Zweifel zu ziehen.“  Ja, man könne „Grautiger mit allen Harlekin-Hunden verpaaren“, weil dabei keine „potentiell risikobehaftete H/H-Doggen entstehen können.“  Warum verschweigen Sie schon wieder die tauben Doppel-Merles, die dabei geboren werden können? Halten Sie tatsächlich eine Verringerung der Wurfgröße durch die HH-Bedingte Sterblichkeit für prioritär gegenüber dem Risiko, durch die Kreuzung von Grautigern mit Gefleckten bewusst behinderte Doppel-Merle-Welpen in Kauf zu nehmen? 

Sie mögen es mir nachsehen, dass ich Ihre Einstellung nicht nachvollziehen kann. Was wollen Sie den Lesern mitteilen, wenn Sie so etwas schreiben?

 

Der Tiefpunkt Ihres Kapitels zur Vererbung der Gefleckten sowohl in pädagogischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht sind jedoch die Schemata.

Es beginnt mit einer hanebüchenen Untereinteilung der Schwarzen, Gefleckten und Grautiger, die bar jeder Logik ist, da sie ohne die geringste Erläuterungen verschiedene teils synonyme Begriffe unter zum größten Teil wenig aussagekräftige Darstellungen setzt.

Die Schwarzen werden unterteilt in:

Schwarz, Schwarz mit weißer Brust, Schwarz mit  „Mantel“, Schwarz mit „schlechtem Mantel“, Piebald Schwarz

Die  Gefleckten:

Überall Gefleckter, Weniger Gefleckter, „Irish“ Gefleckter, „Schlechter“ Gefleckter, Piebald-Harlekin

Die Grautiger:

Überall Grautiger, „Boston“ Grautiger, „Schlechter“ Grautiger, Piebald-Grautiger, Fast weiß.

 

Es ist wohl kaum erklärlich, dass dieselbe Abzeichenverteilung beim Schwarzen als „Mantel“, beim Gefleckten als „Irish“ und beim Grautiger als „Boston“ bezeichnet wird. Man kann nur vage vermuten, dass Sie hier in allen drei Fällen das Vorkommen des hypothetischen „True-Irish“ (echter Mantel)-Gens andeuten wollen. Warum Sie diesem aber je nach Farbschlag immer einen anderen Name geben, ist mir schleierhaft. Auch sollte man nicht den Eindruck erwecken wollen, ein phänotypischer „Mantel“ könne nie ein Piebald sein.

Merkwürdig ist auch die Abwesenheit einer ganz weißen Dogge: Nur ein „fast weißes“ Exemplar ist vertreten. Noch merkwürdiger ist allerdings, dass man davon abgesehen hat, die angedeuteten Phänotypen mit dem entsprechenden Genotyp zu bezeichnen. Oder ist dies beabsichtigt?

Denn spätestens in dem Moment, wo diesen Schemata in den Kreuzungsversuchen ihr Genotyp zugeordnet wird, wird es sehr schwierig, etwas anderes darin zu sehen als eine mutwillige Trickserei, um das Entstehen von Doppel-Merle zu vertuschen:

So wird den bei den Kreuzungsversuchen entstehenden Doppel-Merles mit Harlekin-Gen (MMHh) die Darstellung zugeordnet, die auf dem ersten Schema als „Piebald-Grautiger“ bezeichnet wird. Der Doppel-Merle ohne H-Gen (MMhh) wiederum wird anhand der entsprechenden Darstellung zum „Schlechten Grautiger“ umgewidmet. Hier mag ich mir nicht die Bemerkung verkneifen, dass es sich wohl eher um einen schlechten Witz als um einen schlechten Grautiger handelt. Was haben Sie sich bei diesen Zuordnungen gedacht, Frau Pfeiffer ?

Ich erwähnte ja bereits, dass die reinweiße Dogge im Grundschema „vergessen“ wurde…In den Ergebnissen der Kreuzungsversuche allerdings taucht noch nicht einmal die aufgeführte „fast weiße“ Dogge irgendwo auf…wie ist das zu verstehen ?

Da wird es geradezu zur Nebensächlichkeit, dass Sie unsinnigerweise den schwarzen H-Träger mmHh systematisch zum Mantel-Träger machen, während der mmhh-Schwarze nur eine weiße Brust erhält. In Wirklichkeit unterscheiden sich diese beiden Genotypen phänotypisch in keiner Weise. Das ist zwar ein Hinweis auf mangelnde Kompetenz oder Nachlässigkeit, aber zumindest nicht auf einen weiteren Versuch, unliebsame Kreuzungsergebnisse wegzumanipulieren.

 

Abschließend möchte ich  eine Textpassage erwähnen, in der Sie die fehlende Verfügbarkeit von „Untersuchungen zu Gefleckt-Verpaarungen und den Nachkommenzahlen mit Details/Messungen zum Hintergrundgeschehen, d. h. welche Gene/Proteine tatsächlich eine Rolle spielen“, bemängeln. Es gäbe  „hör- und sehgeschädigte Doggen im Zuchtgeschehen des DDC als seltene Einzelfälle“ und von daher mangels DNA-Proben von betroffenen Hunden, hieran anknüpfend derzeit keine sichere und aussagekräftige Forschungsplattform. Von daher halten Sie es für  „wünschenswert, wenn wir mehr Informationen zu den detaillierten Mechanismen vorliegen hätten, damit man hier Ableitungen auf DNA-Niveau zu den vermuteten Vitalitätsbeeinträchtigungen / Wurfgrößen abgesichert ausfindig machen kann.“

Sie bringen hier Ihren Wunsch zum Ausdruck, im Rahmen des DDC Gefleckte zu kreuzen, damit genug behinderte Doggen geboren werden für eine breite Datenbasis, da Sie die Aussagen der internationalen Forschung zum Risiko der Merle-Kreuzung für unzureichend belegt halten. Ihren wissenschaftlichen Ehrgeiz in Ehren, möchte ich Ihnen als Alternative doch vorschlagen, einfach eine gewisse Anzahl tauber Doggen aus ausländischen Zuchtvereinen, die Gefleckt-Kreuzungen erlauben, auf deren Genstatus zu testen. Ein weitere Ansatz wäre BAER-Test und Merle-Test von „verdächtigen“ überwiegend weißen Doggen, auch wenn diese als „hörend“ deklariert und/oder gar als Zuchthund eingesetzt werden. Ich denke, da gibt es reichlich Arbeit, ohne dass man bewusst behindertes Forschungsmaterial im DDC erzüchtet: Doppel-Merles gibt es nicht nur bereits genug, sondern immer noch viel zu viele.

 

Ich kann bei der Menge und der Art der „Fehler“ in den Ausführungen nicht an einen Zufall oder Nachlässigkeit glauben.

-          Wer weiße Doggen einfach nicht erwähnt und nicht in Kreuzungsversuchen erscheinen lässt…

-          Wer Doppel-Merles statt „Doppel-Merle“ mit unsinnigen Begriffen wie „Piebald-“ und „schlechter Grautiger“ bezeichnet…

-          Wer Untersuchungserbnisse zur Merle-Taubheit als „widersprüchlich“ darstellt…

-          Wer Kreuzungen zwischen Gefleckt und Grautiger empfiehlt, da hier keine „potentiell risikobehafteten HH-Doggen“ entstehen und dabei die entstehen Doppel-Merle verschweigt...

 …bei dem gehe ich davon aus, dass er dies in einer bestimmten Absicht kolportiert. Welche das ist, das mag sich jeder selber denken. Und auch, ob diese mit einer ethischen Zuchtpolitik in Einklang zu bringen ist.

 

Dr. Cornélius Sachdé

Tierarzt

F-32140 Masseube