Hodenhochstand - Kryptorchismus

Befinden sich bei einem Rüden nicht beide Hoden im Hodensack spricht man von einem Hodenhochstand (Kryptorchismus). Hierbei handelt es sich um ein relativ häufiges Problem bei Rüden, Kryptorchismus wird auch als die häufigste erbliche Erkrankung bei Hunden überhaupt bezeichnet.

Entstehung

Die Hoden entwickeln sich vor der Geburt im Bauchraum (in der Nähe der Nieren). Von dort müssen sie einen relativ weiten Weg bis zum Hodensack bewältigen. Dies geschieht beim Rüden größtenteils erst nach der Geburt und sollte zwischen der sechsten und achten Lebenswoche abgeschlossen sein. Die Wanderung des Hodens wird möglich, weil er durch ein Band mit dem Hodensack verbunden ist, welches sich langsam verkürzt und dabei den Hoden Richtung Hodensack zieht. Der Weg führt dabei durch den Bauchraum in den Leistenspalt und von dort in den Hodensack.

Überall auf diesem Weg kann der Hoden "liegen bleiben". Geschieht dies noch im Bauchraum spricht man vom "Bauchhoden" (abdominaler Kryptorchismus), am häufigsten aber ist der sogenannte "Leistenhoden" (inguinaler Kryptorchismus), den man in vielen Fällen auch ertasten oder sogar sehen kann (siehe Abbildung).

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass in sehr seltenen Fällen der Hoden tatsächlich völlig fehlt, also in der Embryonalphase gar nicht angelegt wurde. Man spricht dann von Monorchie.

 
Kryptorchismus beim Hund - Hoden im Leistenkanal sichtbar
 
Auf der Abbildung sieht man einseitigen Hodenhochstand. Der Hoden auf der linken Seite liegt normal im Hodensack, während rechts ein im Leistenkanal liegen gebliebener Hoden zu erkennen ist. [Quelle: wikimedia, Urheber Joel Mills ]

 

Spätestens im Alter von sechs Monaten hat sich der Leistenkanal so verengt, dass ein "hängen gebliebener" Hoden keinesfalls mehr in den Hodensack absteigen kann. Daher wird die endgültige Diagnose eines Hodenhochstandes auch erst zu diesem Zeitpunkt gestellt.

Der Hodenhochstand ist wesentlich häufiger einseitig als beidseitig zu beobachten. Aus diesem Grunde hat sich bei Hundzüchtern auch der Begriff des "Einhoders" eingebürgert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass der nicht abgestiegene Hoden auch einen veränderten Gewebsaufbau hat, während beim gleichen Hund der im Hodensack befindliche Hoden in der Regel völlig normal entwickelt ist.

Mitunter "verirrt" sich ein Hoden auch vollkommen und wandert in eine falsche Richtung, so dass er an ganz ungewöhnlichen Stellen zu finden ist, z.B. unter der Haut des Oberschenkels, im Analbereich oder sogar auf der anderen Körperseite. Man spricht dann von Hodenektopie.

 

Erblichkeit

Kryptorchismus hat (fast) immer eine genetische Ursache, familiäre Häufungen sind ebenso zu beobachten wie eine Rassedisposition (häufig betroffen sind kleine Hundrerassen wie Chihuahua oder Yorkshire Terrier, aber auch z.B. Boxer oder Deutsche Schäferhunde). Die Vererbung erfolgt nicht - wie man vielleicht annehmen könnte - über die Geschlechtschromosomen, sondern genetisch gesehen geschlechtsunabhängig (autosomal). Der genaue Erbgang ist allerdings bis jetzt nicht bekannt, wird aber als rezessiv und polygen angenommen. Das bedeutet, dass sowohl Vater wie Mutter eines kryptorchiden Rüden dieses Merkmal vererbt haben. 

Aus zuchthygienischer Sicht ist daher ein Zuchteinsatz von Rüden mit mit einseitigem Hodenhochstand, auch wenn diese oft zeugungsfähig sind, vollkommen abzulehnen. Bei relativ stark betroffenen Rassen empfiehlt sich dringend eine Zuchtwertschätzung, um Verpaarungen mit hohem Kryptorchismusrisiko für die Nachkommen auszuschließen. Die Zuchtwertschätzung hat bei solchen geschlechtsspezifischen Erberkrankungen eine besondere Bedeutung, da die Veranlagung zum Kryptorchismus bei den Hündinnen logischerweise nicht direkt nachgewiesen werden kann.

 

Diagnostik

Die Diagnose "Hodenhochstand" ist sehr leicht zu stellen, denn sie bedeutet einfach, dass der Hoden im Hodensack nicht tastbar ist. Die echte Monorchie (siehe oben) ist so selten, dass sie bei der Diagnosestellung vernachlässigt werden kann. Wesentlich schwieriger gestaltet sich dann oft die "Suche" nach dem Hoden. Ist dieser im Leistenkanal stecken geblieben, lässt er sich mitunter auch dort ertasten. Ist dies nicht der Fall wird der Tierarzt oft durch eine Ultraschalluntersuchung fündig. Allerdings können hierbei, da der Hoden in der Regel relativ klein und unterentwickelt ist, auch Verwechslungen zum Beispiel mit Lymphknoten vorkommen. In vielen Fällen wird daher der Hoden erst bei einem chirurgischen Eingriff gefunden.

 

Therapie

Zuerst stellt sich natürlich die Frage, warum bei einem Hodenhochstand unbedingt eine Therapie erforderlich ist. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe:

  • Die Hoden sind im Normfall im Hodensack nicht der relativ hohen Körpertemperatur ausgesetzt, die dem hoch spezialisierten Gewebe auf Dauer gesehen schaden kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass bereits bei ein- bis zweijährigen kryptorchiden Rüden eine Gewebsveränderung im nicht abgestiegenen Hoden einsetzt. Insgesamt führt dies zu einem stark erhöhten Risiko für Tumoren des Hodens, insbesondere bei Hoden im Bauchraum. Neben den allgemeinen Risiken einer Krebserkrankung produzieren solche Hodentumore oft auch eine große Menge weiblicher Geschlechtshormone (Östrogene), was natürlich für den gesamten Organismus des betroffenen Hundes zusätzlich schädlich ist. Nicht selten beobachten die Besitzer solcher Hunde dann auch, dass ihr Rüde für andere Rüden "attraktiv" ist, ein Warnsignal, dass man keinesfalls übersehen sollte.
  • Hoden, die sich nicht im Hodensack befinden haben ein höheres Risiko für eine "Hodendrehung" (Hodentorsion). Dies ist ein akutes sehr schmerzhaftes Krankheitsgeschehen, bei dem der Hoden sich (ausgelöst meist durch Bewegungen beim Spielen) um die eigene Achse dreht. Dadurch wird der Blutabfluss unterbunden, was zu Stauungen, extremer Blutansammlung und schließlich zum Gewebsuntergang führt.


Therapeutische Möglichkeiten:

Das Mittel der Wahl ist die chirurgische Entfernung des nicht abgestiegenen Hodens. Oft wird diese mit einer Kastration verbunden, also auch der normal im Hodensack befindliche Hoden entfernt. Möchte man die Hormonwirkung des gesunden Hoden erhalten (zum Beispiel bei sehr jungen Rüden überlegenswert) ist in jedem Falle aber der Samenleiter zu durchtrennen (Vasektomie), damit der Rüde nicht mehr fortpflanzungsfähig ist (siehe Erblichkeit des Kryptorchismus!).

Verschiedene Tierkliniken bieten auch eine chirurgische Verlagerung des nicht abgestiegenen Hodens in den Hodensack an. Dabei wird meist der Samenleiter des fehlentwickelten Hodens durchtrennt, da er in der Regel zu kurz ist. Bleibt allerdings der Samenleiter des zweiten Hodens erhalten, so könnte dieser chirurgische Eingriff schwerwiegende zuchthygienische Folgen haben...

Beim sehr jungen Rüden (unter sechs Monaten) kann mitunter durch regelmäßige "fachgerechte" Massagen ein schon relativ weit gewanderter und gut tastbarer Leistenhoden noch in die richtige Position befördert werden. Es wird auch eine Hormontherapie angeboten, die aber oft nicht erfolgreich ist und den wachsenden Organismus selbstverständlich belastet. Wurde der Hoden durch solche "Eingriffe" tatsächlich noch in die richtige Position befördert, so ist trotzdem zu bedenken, dass eine genetische Anlage für Hodenhochstand vorliegt. Ein verantwortungsvoller Züchter wird diese Hunde nicht zur Zucht einsetzen.