Die Schilddrüse - kleines Organ mit großer Wirkung

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Die Schilddrüsen produzieren Hormone, die den gesamten Stoffwechsel des Organismus beeinflussen und daher eine zentrale Rolle für das körperliche und psychische Wohlbefinden spielen. Beim Hund handelt es sich dabei um paariges Organ, das sich etwa in Höhe des Kehlkopfes links und rechts von der Luftröhre befinden. Die weitaus häufigste Schilddrüsenerkrankung beim Hund ist die Hypothyreose, also eine Unterfunktion.

Funktionen der Schilddrüsenhormone und Regulation der Hormonbildung

Regulation der Schilddrüsenhormoneproduktion beim HundDie beiden bedeutsamsten Schilddrüsenhormone sind T4 (Thyroxin) und T3 (Trijodthyronin). Die Hormone werden in das Blut abgegeben, und in den gesamten Organismus transportiert. T4 dient hauptsächlich als Transportform und hat eine relativ geringe biologische Wirkung. Daher wird es spätestens am "Einsatzort", also in den Geweben, zu T3 umgewandelt, welches das wesentlich aktivere Schilddrüsenhormon ist. T4 ist beim Menschen übrigens das Hauptprodukt der Schilddrüse, beim Hund wird auch T3 in größerer Menge direkt von der Schilddrüse abgegeben.

Die wichtigsten Wirkungen der Schilddrüsenhormone auf die Zellen beziehen sich auf den Energiestoffwechsel. Zu den kurzfristig einsetzenden Wirkungen gehört insbesondere die Anregung der "Verbrennungsvorgänge" zur Energiegewinnung, womit ein erhöhter Sauerstoffverbrauch verbunden ist. Langfristiger ist der Einfluss auf die Eiweißproduktion in den Zellen. Hier wirken die Schilddrüsenhormone zusammen anderen Hormonen und steigern insbesondere den Aufbau von neuen Eiweißen, haben aber auch Einfluss auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel. In physiologischen Konzentrationen fördern Schilddrüsenhormone also das Wachstum, die Reifung und Vermehrung von Zellen.

Für so komplex wirkende Hormone muss es natürlich auch sehr effektive Regulationsmechanismen geben. Diese sollen hier in vereinfachter Form erklärt werden, da sie auch für das Verständnis von krankhaften Veränderungen und deren Diagnostik bedeutsam sind.

Im Hypothalamus (einem Bereich im Gehirn) befindet sich die "oberste Steuerzentrale". Durch Freisetzung desHormons "TRH" wird die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) zur Produktion des Hormons TSH angeregt. Dieses TSH wiederum wirkt auf die Schilddrüse und fördert die Freisetzung der Schilddrüsenhormone in das Blut.

Reguliert werden soll im Endeffekt die Menge an aktiven Schilddrüsenhormonen im Gewebe. Daher gibt es einen Rückkopplungsmechanismus:T3 und T4 hemmt die Bildung von TSH in der Hypophyse (und auch von TRH im Hypothalamus), wodurch die Freisetzung weiterer Schilddrüsenhormone vermindert wird.

 


Hypothyreose

Eine Unterfunktion ist beim Hund die weitaus häufigste Schilddrüsenerkrankung. In rund 95% der Fälle ist die Ursache in einer Zerstörung des Schilddrüsengewebes zu suchen. Diese kann entweder durch Autoimmunprozesse hervorgerufen werden oder sie entsteht durch die Zerstörung der Zellen der Schilddrüse ohne bekannte Ursache. In seltenen Fällen entsteht eine Schilddrüsenunterfunktion auch durch Tumore oder andere Störungen, die zu einer verminderten Freisetzung von TSH oder TRH führen. In diesem Fall ist nicht die Schilddrüse selbst sondern sind die oben beschriebenen steuernden Organe betroffen.

Betroffen sind häufig Hunde großer und mittlerer Rassen, für einige Hunderassen wird auch eine besondere Disposition angenommen, neben Retriever, Dobermann, Irish Setter, Bobtail und einigen anderen wird mitunter auch die Deutsche Dogge hier erwähnt. Da zusätzlich familiäre Häufungen beschrieben werden, ist auch von einer genetischen Veranlagung auszugehen.
Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, besonders oft beginnt sie jedoch im mittleren Alter.

Aufgrund des umfangreichen Wirkungsspektrums der Schilddrüsenhormone zeigt sich eine Unterfunktion auch durch verschiedene, oft unspezifische Symptome, deren Ausprägung von Hund zu Hund sehr unterschiedlich sein kann. Im voll entwickelten Krankheitsstadium sind besonders folgende typische Krankheitszeichen zu erwarten:

Die Diagnostik einer Hypothyreose sollte eigentlich einfach sein, da man gute Methoden zur Messung der Schilddrüsenhormonkonzentration im Blut hat. Tatsächlich ist es aber in vielen Fällen eher schwierig, die Diagnose sicher und schnell zu stellen. Dafür gibt es verschiedene Ursachen, die im folgenden anhand der verschiedenen Laborbefunde kurz erklärt werden:

 

T4
(Gesamt-T4)

Die Messung des T4 im Blut ist eine Basisparameter der Schilddrüsendiagnostik. Dieser Wert gibt Auskunft über die "Produktionsrate" von Schilddrüsenhormonen, da T4 ausschließlich in der Schilddrüse gebildet wird (siehe Schema Regulation). Bei einer Hypothyreose sind also die T4-Werte in der Regel unterhalb des Normalbereiches. Allerdings werden auch in manchen Fällen Werte im Grenzbereich (unterer Normalbereich) gemessen, insbesondere auch bei Deutschen Doggen, ohne das dies als pathologisch einzustufen wäre.

In einigen seltenen Fällen ist der T4-Wert bei Schilddrüsenunterfunktion nicht erniedrigt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Hund Antikörper gegen T4 besitzt (Autoimmunerkrankung). Dann sind zur Diagnostik spezielle Methoden (z.B. Antikörpernachweis) notwendig.

Allerdings wird der T4-Wert im Blut sehr häufig durch schilddrüsenunabhängige Faktoren beeinflusst. Typisch für Hunde (und Katzen) ist es, dass die T4-Werte im Blut bei Erkrankungen anderer Organe absinken, ohne dass eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegt. Dies ist zum Beispiel bei Leber- Herz- und Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus und anderen hormonellen Störungen sowie akuten Infektionskrankheiten der Fall. Außerdem können verschiedene Medikamente den T4-Spiegel im Blut senken, hier spielen in der Praxis besonders entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente eine Rolle (Cortison, nichtsteroidale Entzündungshemmer).
Schlussfolgerung: Ein normaler Gesamt-T4-Wert zeigt in aller Regel eine normale Schilddrüsenfunktion an, ein erniedrigter Gesamt-T4 ist noch kein sicheres Kriterium für die Diagnose "Hypothyreose"!

 

fT4
(freies T4)

Hier wird lediglich das biologisch aktive T4 gemessen. Dieses gilt als weniger von Medikamenten und anderen Grundkrankheiten beeinflussbar und damit präziser. Allerdings sind nicht alle Messmethoden gleichwertig bezüglich der Präzision.

 

 T3

Die Messung von T3 im Blut spielt beim Hund keine praktische Rolle. Grund dafür ist, dass bei einer Hypothyreose vermehrt T4 in T3 umgewandelt wird, so dass der T3-Spiegel auch im Zustand der Unterfunktion oft normal bleibt, während der T4-Wert dementsprechend sinkt.

 

 cTSH
(canines TSH)

Aus dem oben beschriebenen Regulationsmechanismus der Schilddrüsenhormonabgabe ist zu schlussfolgern, dass bei niedrigen T4- und T3-Konzentrationen im Blut und Gewebe der Körper durch die Freisetzung von TSH diesen Mangel zu beheben versucht (siehe Schema Regulation). Daher müssten die TSH-Werte bei einer schilddrüsenbedingten Unterfunktion erhöht sein. Beim Menschen ist dieser Zusammenhang auch sehr deutlich, beim Hund allerdings hat sich gezeigt, dass in ca. 25% der Fälle trotz bestehender Unterfunktion keine erhöhten TSH-Spiegel gemessen werden.

Die zusammenhängende Betrachtung von T4- und TSH-Wert ist jedoch eine gute Basis für die Entscheidung, ob eine Hypothyreose vorliegt (bei niedrigem T4 und erhöhtem cTSH!), oder ob weitere diagnostische Maßnahmen notwendig sind.

 

K-Wert (FT4/Cholesterin)

Die Berechnung des K-Wertes kann in bestimmten Fällen die Diagnosestellung unterstützen. Grundlage ist die Tatsache, dass bei Hypothyreose oft durch Veränderungen im Fettstoffwechsel erhöhte Cholesterinwerte im Blut gemessen werden. Ist dies der Fall, kann man vereinfacht gesagt davon ausgehen, dass ein niedriger K-Wert (unter -4) den Verdacht auf eine Hypothyreose verstärkt.

 

Thyreoglobulin-Antikörper
(TAK, TGAA)

Thyreoglobulin ist einEiweiss im Schilddrüsengewebe, die für die Produktion der Schilddrüsenhormone notwendig ist. Thyreoglobulin-Antikörper entstehen bei einer die Schilddrüse zerstörenden Autoimmunerkrankung. Ihr Nachweis hat hauptsächlich Bedeutung für die Ursachenforschung und keinen direkten Einfluss auf das therapeutische Vorgehen bei einer Hypothyreose.

 

TSH-Stimulationstest

Bei diesem Test wird dem Hund TSH verabreicht. Dadurch wird die Schilddrüse zur Hormonfreisetzung stimuliert. Man misst den T4-Wert vor Hormongabe und 6-8 Stunden nach der  TSH-Injektion. Bei normaler Schilddrüsenfunktion kommt es zu einem deutlichen Anstieg. Dieser Test zeigt eine Hypothyreose sehr zuverlässig an, jedoch nur bei ansonsten gesunden und nicht unter Medikamenteneinfluss stehenden Hunden.

 

Mitunter kann es vorkommen, dass trotz aller hier aufgelisteten Untersuchungsmöglichkeiten keine eindeutige Diagnose erstellt werden kann. In solchen Fällen kann eine versuchsweise Medikation (Medikamente zum Ersatz der Schilddrüsenhormone) Aufschluss darüber geben, ob die Symptome des Hundes tatsächlich durch eine Hypothyreose hervorgerufen werden (sogenannte diagnostische Therapie).

Die Therapie einer Hypothyreose ist relativ einfach, da man das Schilddrüsenhormon T4 (Thyroxin) durch Tablettengabe gut ersetzen kann. Auch der hyperthyreote Hund ist dann in der Lage, dieses T4 in seinen Geweben in die aktive Form T3 umzuwandeln. Diese Medikation ist lebenslang notwendig, da ja nur die Hormone regelmäßig ersetzt werden und keine Regeneration des Schilddrüsengewebes erfolgt.

Wichtig ist natürlich eine gute Therapiekontrolle, um die optimale Dosis im Einzelfall korrekt zu wählen. In regelmäßigen Abständen sollte der T4-Wert kontrolliert werden.Durch (zusätzliche) Messung des cTSH kann man insbesondere eine zu niedrige Dosierung von Thyroxin erkennen, weil der cTSH-Wert dann kompensatorisch ansteigt.


Subklinische Hypothyreose

Der Begriff "subklinisch" bedeutet, dass die typischen Symptome der Hypothyreose nicht oder nur sehr schwach ausgeprägt sind und die Schilddrüsenwerte (T4) in der Regel noch im unteren Grenzbereich des Normalen liegen. Diese Störung wird oft in Zusammenhang mit anderweitig unerklärlichen Verhaltensänderungen des Hundes gebracht. Leider gibt es dazu kaum wissenschaftliche Untersuchungen, was insofern nicht verwunderlich ist, weil die Diagnosestellung einer noch nicht messbaren Schilddrüsenunterfunktion nahezu unmöglich erscheint. Im Abschnitt Hypothyreose wurde ja bereits beschrieben, dass sogar beim ausgeprägten Krankheitsbild eine Diagnose oft gar nicht so einfach ist.

Der "typische Verlauf" einer subklinischen Hypothyreose wird in der Regel so beschrieben, dass erste Anzeichen etwa um den Zeitpunkt der Pubertät (7 bis 12 Monate) auftreten. Hauptsächlich soll es sich um plötzlich auftretende Verhaltensauffälligkeiten der verschiedensten Art (von Übererregbarkeit und Angsstörungen bis hin zu Aggressivität) handeln, auch das Auftreten epileptischer Anfälle wird in diesem Zusammenhang erwähnt.

Da Schilddrüsenhormone bekanntlich einen Einfluss auf das Nervensystem und damit auch auf das psychische Gleichgewicht haben, sind solche Zusammenhänge natürlich nicht auszuschließen, so wie man prinzipiell bei allen unerklärlichen Verhaltensänderungen des Hundes auch nach organischen Ursachen suchen muss. Im Zweifelsfalle sollte man sich an einen verhaltenstherapeutisch ausgebildeten Tierarzt wenden und das Problem umfassend abklären lassen. Eine Liste solcher Tierärzte findet man auf der Website der Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie e.V.


Schilddrüsentumore und Hyperthyreose

Tumore der Schilddrüse gehören zu den häufigsten Tumorarten im oberen Halsbereich, sind aber insgesamt beim Hund eher selten. Es handelt sich meistens um bösartige Veränderungen (Karzinome), die ein- oder zweiseitig auftreten können und in der Regel eine hohe Metastasierungsrate haben. Wesentlich seltener treten gutartige Schilddrüsenadenome beim Hund auf.

Wenn das Tumorgewebe unreguliert Schilddrüsenhormone produziert, kommt es zu einer Hyperthyreose. Dies ist aber nur in ca. 10% der Fälle zu beobachten, bei anderen bleiben die Schilddrüsenwerte unverändert oder es entwickelt sich eine Hypothyreose aufgrund der Zerstörung von Schilddrüsengewebe durch den Tumor.

Typische Symptome der Hyperthyreose sind z.B. Unruhe, Zittern, Heißhunger mit unerklärlicher Gewichtsabnahme, Durst, Herzrasen und andere Herz-Kreislauf-Störungen, Kurzatmigkeit und Verdauungsstörungen (Durchfall).

Die Diagnose des Schilddrüsentumors sowie die Beurteilung der Metastasenbildung erfolgt hauptsächlich durch bildgebende Verfahren (Röntgenuntersuchungen, Sonographie, Szintigraphie)  und eine zytologische Untersuchung (Feinnadelbiopsie) des Tumorgewebes. Zur Abklärung einer eventuell bestehenden Hyperthyreose oder Hypothyreose wird der T4-Wert genutzt.

Therapeutisch und im Hinblick auf die Prognose steht das Karzinom im Mittelpunkt. Insbesondere die Therapie ist daher auf den konkreten Einzelfall abzustimmen. Die Möglichkeiten reichen von Bestrahlung über Chemotherapie bis zu operativen Eingriffen. Insgesamt ist die Prognose aufgrund der meist ausgeprägten Bösartigkeiten der Tumoren meist schlecht. Anders dagegen bei den seltenen Adenomen, die meist gut behandelbar sind.