Die besondere Form der Information - Das Schwarzbuch

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Es gab eine Zeit, da waren Schwarzbücher eher trockene, aber sachliche Literatur: Der Klassiker ist wohl das Schwarzbuch des Bundes deutscher Steuerzahler, das jedes Jahr die Verschwendung der Steuergelder öffentlich macht.

Inzwischen ist aus dem „Schwarzbuch“ eine florierende Literaturgattung geworden:

Die Autoren decken aus ihrer Sicht bestehende Missstände auf und veröffentlichen ihre Kenntnisse in Buchform. Im Gegensatz zum ursprünglichen Schwarzbuch wird hier auf Kosten der Sachlichkeit mehr eine populistische, teils deutlich ins anekdotisch abschweifende Form der Redaktion bevorzugt.

Welches sind die Gründe des inflationären Auftretens solcher Schwarzbücher?

Mit der Marke „Schwarzbuch“ visiert der Autor von vorneherein eine bestimmte Käuferschicht an und hat alle Chancen diese zu begeistern. Er gibt dem Leser eine Art Versprechen: „Wenn Du meiner Meinung bist, werde ich Dich bestätigen und nachweisen, dass Du recht hast.“


Er richtet zu diesem Zweck ein Flutlicht auf die Argumente, die für seine Überzeugung sprechen, während er denen der Gegenseite allerhöchstens eine 20 Watt-Glühbirne gönnt…wenn überhaupt. Denn was in einem Schwarzbuch titelgerecht stets in schwärzester Dunkelheit bleibt, das ist die Sichtweise anderer. Im Grunde sind viele dieser Bücher das literarische Pendant zur Bierzeltdiskussion, in der jeder Diskurs des Wortführers von einem begeistert beipflichtenden „Jawoll!“ aus der Runde begleitet wird.

Für denjenigen, der den populistischen Stil mag, sind solche Bücher echte Wohlfühlliteratur: Mit wohligem Schaudern erkennt man, dass man nicht nur immer schon Recht hatte, sondern es noch viel schlimmer ist als gedacht. Wie schön, dass man auf der Seite der Guten steht, für die eigentlich ein Weißbuch geschrieben werden müsste…was aber erstaunlicherweise niemand tut.

Sind solche Bücher jedoch wirklich sinnvoll?

Für den Autor in jedem Fall: Mit relativ geringem Aufwand für ein vorgeblich wissenschaftlich unterfüttertes Werk hat er alle Chancen, mit einer großen Zahl überschwänglicher Kritiken überhäuft zu werden: Das Label „Schwarzbuch“ filtriert die Leser in der Weise vor, dass fast ausschließlich vor Überzeugten gepredigt wird, die in konsequenter Logik mit ausufernder Begeisterung der Welt mitteilen, dass sie selber und damit zwangsläufig auch der Autor absolut Recht haben. In dieser Weise profilieren sich dann auch in aller Regel die Leserrezensionen: Für Schwarzbücher gibt es in der Regel fast ausschliesslich die Maximalwertung, häufig mit der Anmerkung das Buch würde wachrütteln. Dies allerdings stimmt nun gerade eher weniger, da es von den Menschen, die gemäß der Ansicht des Autors und seiner Leser wachgerüttelt werden müsste, erst gar nicht gelesen wird…eben weil sie im Filter des Labels Schwarzbuch hängenbleiben.


Probleme treten auf, wenn man sich mit dem Wissen aus einem Schwarzbuch auf kontroverse Diskussionen einlässt. Wohlwissend, dass sie vor heimischem Publikum spielen, wird von den Autoren nicht viel Zeit darauf verwendet, die Argumente von Gegenpositionen auszuloten. In Schwarzbüchern kann man daher ungestraft seitenlang haltlose Behauptungen aufstellen, weil diese bei dem ganz überwiegenden Teil der Leserschaft ohnehin offene Türen einrennen…wer fragt da schon danach, ob man sie belegen kann? Gerade Fragen nach den wissenschaftlichen Belegen sind aber die Regel, wenn man sich einer etwas ernsthaften Diskussion stellt. Unvollständige Angaben zu den Quellen oder deren einseitige Interpretation sind häufig vorkommende große Schwachpunkte des populistischen Schwarzbuches.

Die unangenehmste Nebenwirkung der Schwarzbücher ist jedoch ihr Rückstoßeffekt: Selbst wenn Kritik im Grunde berechtigt ist…in dem Moment, wo haltlose Behauptungen dazu herangezogen werden, sie zu untermauern, schadet man seinem Anliegen mehr als man ihm nutzt, denn man bietet seinem Gegner eine Angriffsfläche und stärkt letztlich dessen Position mehr als die eigene. Nichts ist in einer Diskussion verheerender als Argumente, die einer genaueren Überprüfung nicht standhalten.
Mit anderen Worten: Ist man lediglich mit Wissen aus Schwarzbüchern gewappnet, sollte man das Bierzelt nicht verlassen.

Prost !