Merle bei der Deutschen Dogge - Kreuzungsexperimente: Die Hintertür der Rassevereine zur Geflecktkreuzung

Der französische Rasseclub DCF war hier schon 2001 mit schlechtem Beispiel vorangegangen, indem es das von der Société Centrale Canine (SCC, Pendant des VDH) geforderte Verbot der Verpaarung von Gefleckten, da diese Merle-Träger sind, durch die Ausrufung eines „Experimentes“ zur Vererbung der Gefleckten umging, in dessen Rahmen jede Form von Merle-Kreuzung erlaubt ist, also Gefleckt x Gefleckt, Grautiger x Gefleckt und Grautiger x Grautiger. Der Präsident des DCF Jean-François Martin verkündete damals unverhohlen, dass der DCF „dank unseres Experiments dem Verbot von Gefleckt-Kreuzungen entgehen konnte.“ Auch das „Protokoll“  des Experiments, wenn man es denn so nennen möchte, lässt keinen Zweifel daran, dass man nie wirklich daran interessiert war, wissenschaftlich relevante Daten zu sammeln: Es bestand lediglich in der systematischen Zuteilung einer „Ausnahmegenehmigung“ durch den Club für jede Gefleckt-Kreuzung. Die Ergebnisse der Kreuzungen, und sei es nur die Wurfgröße und Farbverteilung, wurden nicht einmal festgehalten und sind dementsprechend auch keiner Auswertung zugänglich. Lediglich die in diesem Rahmen vorgenommene kleine Anzahl an Kreuzungen unter Einbeziehung von Grautigern wurde registriert und die Farbverteilung der Würfe ausgezählt, auch wenn die Konzeption des „Grautiger-Experimentes“ in mehrfacher Hinsicht dermaßen desaströs war, dass keinerlei brauchbare Ergebnisse erhalten wurden 1. Die Schimäre eines angeblichen Experiments, das lediglich ein Vorwand ist, um weiterhin Gefleckte kreuzen zu dürfen, findet erst im Juli 2012, nach der expliziten Direktive der FCI zum Kreuzungsverbot für Merles vom Januar 2012 (http://www.fci.be/circulaires/4-2012-annex.pdf) und erneutem massivem Druck seitens der SCC endlich ihr unrühmliches, und erwartungsgemäß ergebnisloses Ende (http://doggenclub.com/2012-03-12-Lettre-DCF-Circulaire-FCI.pdf)… nach mehr als 10 Jahren.

In Deutschland ist bereits seit 1997 die Kreuzung zweier Merle-Träger untersagt und fällt unter den Qualzuchtparagraphen des Tierschutzgesetzes. Das Gutachten zu dessen Auslegung bewertet auch die Zucht mit heterozygoten Merle-Trägern, selbst unter Vermeidung des Doppelmerle-Risikos, als bedenklich, da die Autoren insbesondere Arbeiten mit Untersuchungen anMerle-Dackeln zur Beurteilung des Sachverhaltes herangezogen haben (Reetz I, 1977) (Klinckmann G, 1987), in denen auch bei den heterozygoten Merles ein hoher Anteil an hör- und sehbehinderten Hunden zu finden war. Dies scheint jedoch spezifischen für Dackel zu sein und ein allgemeines Verbot der Merlezucht von daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die gesamte Gefleckt-Zucht der Deutschen Dogge in Frage gestellt (ein Artikel von Dr Krautwurst [Zuchtverbot für gefleckte Deutsche Doggen?] von 1995 in der Zeitschrift „Der Hund“ greift das Thema auf).

Bedacht werden sollte in diesem Zusammenhang, dass für die Geflecktzucht ein weiteres Defekt-Gen, das Harlekin-Gen, unverzichtbar ist. Es wird im Qualzuchtgutachten nicht erwähnt, da es sich um ein echtes Letal-Gen handelt: Die homozygoten Harlekin-Träger sind nicht lebensfähig und werden im Embryonalstadium resorbiert, so dass keine behinderten Welpen auftreten, wie dies bei homozygoten Merle-Trägern der Fall ist, welches „nur“ ein Semiletal-Gen ist. Auch wenn Embryonalsterblichkeit nicht tierschutzrelevant ist, sollte man sich also stets vor Augen halten, dass Gefleckt-Zucht eine ethische Gratwanderung auf der Basis zweier Defekt-Gene und deren Erlaubnis in keiner Weise eine für die Ewigkeit festgeschriebene Selbstverständlichkeit ist. Ein respektvoller Umgang mit einer solch großen Verantwortung sollte also von Züchtern und Rassevereinen erwartet werden können. Die Realität sieht anders aus:

Im Jahre 2011 versuchte der DDC nach 3 Jahren Vorlaufzeit, den Kollegen des DCF nachzueifern und ebenfalls ein Experiment ins Leben zu rufen, das die Gefleckt-Kreuzung wieder salonfähig machen sollte: Es handelte sich um die sogenannten „Grautigerstudie“, deren Ziel „die Gewinnung und Verwertung forschungsrelevanter Daten zur Fellfarben-Vererbung Grautiger bei der Deutschen Dogge“ sein sollte. Die wissenschaftliche Betreuung sollte Frau Dr Ina Pfeiffer, Privatdozentin an der Universität Kassel, übernehmen, die insbesondere durch einen massiv mit sachlichen Fehlern durchsetzen Aufsatz in der Clubzeitschrift uDD auf sich aufmerksam gemacht hat2 und sich in der Broschüre „Die Vererbung der Fellfarbe bei der Deutschen Dogge“ gar dazu versteigt, für die Kreuzung von Gefleckten zu Forschungszwecken zu plädieren3. Im Mai wurde die erste und einzige Kreuzung im Rahmen der deutschen „Grautigerstudie“ durchgeführt. Bezeichnenderweise eine Kreuzung gänzlich ohne Grautigerbeteiligung zwischen zwei Gefleckten (http://www.doggen-vom-goldbergsee.de/ , F-Wurf). Noch vor Geburt der Welpen wurde die Einstellung der Studie bekanntgegeben: Der Wissenschaftliche Beirat des VDH hatte geltend gemacht, dass es angesichts des aktuellen Standes der Forschung keinerlei Grund für ein Kreuzungsexperiment mit risikobehafteten Verpaarungen zwischen zwei Merle-Trägern gibt. Von der angekündigten wissenschaftlichen Begleitung des Wurfes ist seither nichts in Erfahrung zu bringen, beispielsweise bezüglich der Hörfähigkeit der zwei geborenen Doppelmerlewelpen.

Große Anstrengungen wurden von DCF und DDC unternommen, um ihren Züchtern Gefleckt-Kreuzungen zu ermöglichen, entgegen den Vorgaben der Dachverbände - in Deutschland sogar entgegen der geltenden Gesetzgebung -, und unter Verleugnung von bekannten wissenschaftlichen Fakten… letzten Endes sind sie gescheitert. Es bleibt nichtsdestoweniger die Frage, wie es um die ethischen Grundsätze von Rasseclubs bestellt ist, die ein solch verantwortungsloses Verhalten an den Tag legen.


1 Eine kurze Übersicht der eklatantesten Fehler.

2 Die per Leserbrief an den uDD mitgeteilten Fehler und deren Korrektur: Nicht veröffentlicht, mit der Begründung, dass dessen Autor kein DDC-Mitglied ist.

3 Eine Reaktion auf diesen weiterhin stark fehlerbehafteten Leitfaden wurde dessen Autorin und Initiatoren per offenem Brief mitgeteilt.