Color Dilution Alopecia (CDA) und die Deutsche Dogge - Aktueller Stand der Forschung und Qualzuchtgutachten

Im  Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes, dem sogenannten  Qualzuchtgutachten, ist folgende Einschätzung der CDA zu finden:

 

2.1.1.1.1 Blue-dog-Syndrom (Blauer-Dobermann-Syndrom)

Definition:

Es handelt sich um eine blaugraue Farbaufhellung mit Disposition zu Alopezie und Hautentzündung. Die Krankheit gehört in die Gruppe der Pigmentmangel-Syndrome.

Vorkommen:

Sporadisch und familiär gehäuft besonders beim Dobermann (BARTHA, 1963), aber auch in an-deren Rassen wie Dogge, Greyhound, Irish Setter, Pudel, Teckel und Yorkshire Terrier (AUSTIN, 1975; BRIGGS u. BOTHA, 1986; FERRER et al., 1988; LANGEBACK, 1986).

Genetik:

Das Merkmal wird von einem autosomal unvollkommen dominanten Gen bestimmt.

Symptomatik:

Durch eine gestörte Verhornung des Haarfollikel-Epithels kommt es schon bei jungen Tieren mit blaugrauer Farbverblassung zu Haarausfall (Tiere sehen wie „mottenzerfressen“ aus) mit vermehrter Schuppenbildung (Hyperkeratose), Papeln und Pusteln (papilläre Dermatitis) sowie sekundärer follikulärer Pyodermie (MULLER u. KIRK, 1976). Weiterhin besteht eine unterschiedlich ausgeprägte Lymphadenopathie (Veränderungen im Lymphsystem), Ödeme sowie Nebennierenrinden-Dysplasie. Der Basisdefekt ist eine erbliche Nebennierenrinden-Insuffizienz mit Immunkomplexstörung (PLECHNER u. SHANNON, 1977), wobei Tiere, die homozygot für die Farbaufhellung sind, scheinbar stärker betroffen sind als Heterozygote.

Empfehlung:

Zuchtverbot für Tiere mit blaugrauer Farbaufhellung (siehe Seite 15, Nr. I), da in ihrer Nachkommenschaft immer Tiere mit Farbaufhellung und Disposition zu Hautentzündungen auftreten und dies regelmäßig zu Schmerzen und Leiden führt (Anteil unterschiedlich je nach Genotyp der Elterntiere).

Literatur:

AUSTIN, V. H. (1975): Blue dog disease. Mod. vet. pract. 56, 34.

BARTHA, F. H. (1963): Pigmentationsformen im Haar des Dobermanns. Wien. tierärztl. Mschr. 50, 440-448.

BRIGGS, O. M., u. W. S. BOTHA (1986): Color mutant alopecia in a blue Italian greyhound. J. am. an. hosp. ass. 22, 611-614.

FERRER, L., I. DURALL, J. CLOSA u. J. MASCORT (1988): Colour mutant alopecia in Yorkshire-Terriers. Vet. rec. 122, 360-361.

LANGEBACK, R. (1986): Variation in hair coat and skin texture in blue dogs. Nord. vet. med. 38, 387-387.

MULLER, G. H. u. R. W. KIRK (1976): Small animal dermatology. W.B. Saunders Co., Philadelphia.

PLECHNER, A. J. u. M. S. SHANNON (1977): Genetic transfer of immunologic disorders in dogs. Mod. vet. prac. 58, 341-346.

 

Die pauschale Einschätzung der Zucht mit dem Verdünnungsallel d über alle Rassen hinweg war ohne Zweifel voreilig und kann auf der Basis der aktuelle verfügbaren Forschungsergebnisse als absolut nicht haltbar zurückgewiesen werden: Die (auch zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nicht aktuellsten) aufgeführten wissenschaftlichen Quellen sind überholt und der Großteil der Aussagen nicht zutreffend:

Das zitierte familiär gehäufte Auftreten der Color Dilution Alopezia CDA wurde ausschließlich beim blauen Dobermann, beim blauen Deutschen Pinscher und unter einer anderen Bezeichnung, der Black hair follicular dysplasia (BHFD), bei den als Fehlfarbe geborenen blauen Großen Münsterländern festgestellt. Bei allen anderen mit dem Verdünnungsfaktor züchtenden Rassen tritt diese Erkrankung nach allgemeinem wissenschaftlichen Konsens nur in sehr seltenen Ausnahmefällen auf und eine familiäre Häufung ist nicht ersichtlich. In den stark betroffenen Rassen der Dobermänner und Pinscher ist die Konsequenz aus der rassespezifischen Gesundheitsproblematik bereits gezogen worden, und die blaue Farbe ist vom Standard nicht mehr zugelassen.

Das verantwortliche Allel wird als autosomal unvollkommen dominant bezeichnet…es handelt sich jedoch beim Verdünnungsfaktor „d“ um ein autosomal rezessives Merkmal.

Die Symptomatik beschreibt diverse schwere Komplikationen, die bei der CDA nicht vorkommen: Lymphadenopathie (Erkrankung des Lymphsystems) , Ödeme (Wasseransammlungen im Gewebe) und  erbliche Fehlbildung der Nebennieren mit Funktionsverlust. Möglicherweise ziehen die Autoren hier eine unzulässige Verbindung zu den Griscelli-Syndromen 1 und 2 beim Menschen (siehe oben), deren Haaraufhellung mit schweren systemischen Komplikationen einhergeht. Die Aussagen des Gutachtens stehen hier bemerkenswerterweise in direktem Gegensatz zum Ansatz, der zur Identifikation der Mutation des MLPH-Gens als Ursache der Farbverdünnung beim Hund geführt hat: Das Gen galt als interessantester Kandidat, gerade weil beim Hund das Auftreten der Verdünnung und auch der CDA nicht mit systemischen Krankheitserscheinungen in Verbindung steht, so wie das auch beim Griscelli-Syndrom 3 der Fall ist, welches auf einer Mutation des MLPH-Genes beruht. Die Ausführungen des Gutachtens sind also zumindest vom aktuellen Wissensstand her in keiner Weise nachvollziehbar.

Die Tatsache, dass ein bestimmtes phänotypisches Merkmal den Hund für eine Erkrankung disponiert, kann nicht als Kriterium für ein komplettes Zuchtverbot herangezogen werden, wenn diese Erkrankung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nur in extrem seltenen Einzelfällen tatsächlich und nicht zumindest regelmäßig mit dem Merkmal vergesellschaftet auftritt. Da die Selektion des Phänotyps einer Hunderasse in sehr  vielen Fällen auf der Fixation von rezessiven Defektgenen beruht, ist es unabdingbar, hier in angemessener Weise und mit Augenmaß die damit in Kauf genommenen Risiken zu bewerten. Im Qualzuchtgutachten ist dies bei der Beurteilung des Gesundheitsrisikos der Zucht auf die Fixation des Dilutionsfaktors in Anbetracht der aktuellen Forschung in keiner Weise (mehr) gegeben. Die Empfehlung eines Zuchtverbotes ist aufgrund der hier aufgezeigten Fehleinschätzungen und sachlich falschen Darstellungen im Gutachten im Lichte des aktuellen Wissenstandes mit aller Deutlichkeit abzulehnen. Eine aktualisierte Begutachtung der gesundheitlichen Bedeutung des Verdünnungsfaktors ist dringend zu empfehlen.

 

Nach der Publikation des Qualzuchtgutachtens reagierte der DDC mit der Forderung eines tierärztlichen Attests, welches die Freiheit von Alopeziesymptomen bescheinigte, im Rahmen der Zuchtzulassung im blauen Farbschlag. Dies war zum damaligen Zeitpunkt eine durchaus sinnvolle Massnahme, um zunächst das unmittelbare Risiko eines Zuchtverbotes abzuwenden.

Im Rahmen der durch die Hauptversammmlung des DDC im Jahr 2010 genehmigten Zuchtzulassungsordnung ist das Alopeziegutachten für blaue Doggen aber ohne weitere Begründung gestrichen worden. Auch zur  eventuellen Verwendung  der über ein Jahrzehnt gesammelten Daten gibt es keine Angaben.

Auf eine entsprechende Anfrage wurde aktuell die Empfehlung publiziert, trotz der geänderten Zuchtzulassungsordnung weiterhin tierärztliche Atteste zur CDA-Freiheit bereitzuhalten. Dies schiebt nicht nur die Verantwortung auf die Züchter, es ist auch regelrecht kontraproduktiv, erweckt es doch den Eindruck, dass die Erkrankung bei der Dogge eine bedeutende Rolle spielt, die eine tierärztliche Kontrolle erfordert.

Notwendig und angemessen wäre statt einer solchen Empfehlung in diesem Zusammenhang eine klare wissenschaftlich fundierte Stellungnahme des DDC als standardführendem Verein innerhalb der FCI, um den betroffenen Farbschlag der blauen Doggen eindeutig vom Vorwurf der Qualzucht freizusprechen.

Die passive Haltung beider Rasseclubs im VDH ist bedauerlich, denn neben einer Zuchtpolitik, die reale Gesundheitsprobleme in der Rasse in den Vordergrund stellt, ist es natürlich ebenso wünschenswert, dass man sich im Falle einer ungerechtfertigten Verdächtigung mit soliden wissenschaftlich fundierten Argumenten schützend vor den betroffenen Farbschlag stellt. Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Zusammenarbeit mit Frau Dr. Ute Philipp, die stark in die Arbeiten Verdünnungsallel „d“ impliziert ist, hier endlich Fortschritte bringt und das Thema der Qualzucht hinsichtlich des blauen Farbschlags zu den Akten gelegt werden kann.