Farbgenetik Teil 3 - Die Keimzellen

Jetzt kennen wir fast alle Gene und deren Allele, die bei den Farbschlägen der Doggen eine Rolle spielen. Wir haben die Gene als Schalter dargestellt und die Allele als Positionen dieser Schalter und dabei festgestellt, dass jedes Gen über zwei Schalter verfügt, die nicht unbedingt in der gleichen Position stehen.

 

Bevor wir uns mit den Kreuzungen beschäftigen, ist es zunächst sinnvoll, auf die folgenden Fragen Antworten zu bekommen:

  • Wieso gibt es für jedes Gen zwei Schalter ?
  • Woher stammen die Schalterpositionen, also die beiden Allele eines Gens?
  • Wie werden die Gene an die Nachkommen weitergegeben?

Hierzu ist es für die Anschaulichkeit der Vorgänge sicher sinnvoll, die Schalter unseres Modells mit ein wenig biologischer Realität zu versehen…auch wenn wir dazu wohl oder übel in den Bio-Grundkurs zurückkehren müssen.

 Abb. 1 : Die Schalter auf dem Chromosom  

ChromosomenUnsere Genschalter befinden sich auf den sogenannten Chromosomen: Auf diesen reihen sich Tausende von solchen Genschaltern aneinander, wie das im nebenstehenden Bild angedeutet ist.

Der Hund hat 38 verschiedene Chromosomen, die von 1 bis 38 durchnumeriert sind (CFA1 – CFA38): Auf diese Weise kann eindeutig beschrieben werden, welches Gen auf welchem Chromosom liegt. So liegt beispielsweise das Merle-Gen M auf Chromosom 10 und das Dilution-Gen D auf Chromosom 25.

Das erklärt uns immer noch nicht, warum jedes Gen über zwei Schalter verfügt. Dies wird jedoch verständlich, wenn man sich alle Chromosomen ansieht, über die ein Hund verfügt, also seinen sogenannten Chromosomensatz.


Abb. 2: Der Chromosomensatz des Hundes. Grün eingerahmt sind die Chromosomen, auf denen sich für die Dogge bedeutsame Farbgene befinden

 

(Karyotyp des Hundes mit freundlicher Genehmigung des Zentrum für Humangenetik der Universität Bremen, http://www.humangenetik.uni-bremen.de/HundegenetikEng.html)

Wie unschwer zu erkennen ist, besitzt ein Hund von jedem seiner 38 Chromosomen zwei Exemplare: Die Chromosomen liegen paarweise vor. Man nennt dies einen doppelten oder diploiden Chromosomensatz. Beide Chromosomen eines solchen Paares, die sogenannten homologen Chromosomen, enthalten exakt dieselben Gene, jedoch können sie unterschiedliche Allele aufweisen: Deswegen gibt es zwei Schalter pro Gen, die unterschiedliche Positionen aufweisen können: Dies ist hier beispielsweise der Fall beim Chromosomenpaar 5, auf dem sich das Maskengen E befindet: Wir sehen, dass die beiden Schalter jeweils in unterschiedlichen Positionen stehen, also die beiden Chromosomen 5 unterschiedliche Allele aufweisen: Unsere Dogge ist demnach für das Maskengen E heterozygot. Dies trifft auch für das Gen K (Dominant Black) auf dem Chromosomenpaar 16 zu: Verschiedene Schalterpositionen, also zwei unterschiedliche Allele und demnach Heterozygotie bezüglich des Gens K. Alle anderen bezeichneten Farbgene (A, D, S, H, M) liegen homozygot vor, beide Schalter weisen dieselbe Position auf, beide Allele sind also identisch.

Unterschlagen habe ich in meiner Erklärung die Geschlechtschromosomen X und Y, die für die Farbvererbung bei der Dogge keine Rolle spielen und auf der Abbildung unten rechts zu sehen sind: Der Rüde hat die erwähnten 38 Chromosomenpaare und ein X- und ein Y-Chromosom, während die Hünden ausser den 38 Paaren zwei X-Chromosomen besitzt.


Wo kommen nun die zwei Exemplare jedes Chromosoms her? Eines stammt aus der Eizelle der Mutter und das andere aus dem befruchtenden Spermium des Vaters. Mit anderen Worten, von sämtlichen für jedes Gen doppelt vorliegenden Schaltern, den Allelen, stammt immer genau einer von der Mutter und der andere vom Vater: Niemals können die zwei Allele eines Gens vom selben Elterntier stammen…hier herrscht absolute Gleichberechtigung.

Nun fehlt uns noch ein Schritt: Unsere Dogge erbt also ein Chromosom vom Vater und ein gleichartiges Chromosom von der Mutter. Allerdings haben diese ja bekanntlich einen doppelten Chromosomensatz, die Chromosomen also paarweise vorliegen. Bevor das Spermium die Eizelle befruchten darf, muss demzufolge zunächst dafür gesorgt werden, dass in diesen Keimzellen von jedem Chromosom nur noch ein einziges Exemplar vorliegt: Die Chromosomenpaare müssen aufgetrennt werden. Diesen Vorgang, der aus einem doppelten (diploiden) Chromosomensatz einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz macht, nennt man Meiose oder Reduktionsteilung: Sie sorgt dafür,  dass in den Keimzellen, den Spermien und Eizellen, nur noch einzelne Chromosomen, und damit für jedes Gen nur noch ein Allel, also ein einzelner Schalter in einer Position zu finden ist.

 

Wie das vonstattengeht,  wollen wir mit einem Teil unserer abgebildeten Chromosomenpaare veranschaulichen, denjenigen der Chromosomen16, 5 und 25, die jeweils die Gene K, E und D tragen. Die Schalterstellungen zeigen uns, dass es sich um eine gestromte Doggen mit Maske handelt:

Abb. 3 : Die Gene K, E und D der gestromten Dogge mit Maske "Askan"

Genotyp und Phänotyp von Askan
    

 

Der Einfachheit halber wollen wir mit dem Chromosomenpaar 25 beginnen, denn dieses trägt auf beiden Chromosomen dasselbe Allel des Gens D, die Dogge ist homozygot für das Gen D: Beide Schalter stehen in der Position „Normal D“, es liegt also kein Allel d für die Verdünnung vor. Demzufolge entstehen bei der Auftrennung der beiden Chromosomen dieses Paares im Rahmen der Meiose ausschließlich Keimzellen, deren Chromosom 25 das Allel „Normal D“ tragen:

Abb. 4 : Auftrennung des Chromosomenpaares 25

 

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Anders sieht es aus, wenn die Chromosomen eines Paares zwei verschiedene Allele eines Genes aufweisen, für dieses also heterozygot sind : Dies ist in unserem Beispiel der Fall bei den Genen E und K: Wir haben es mit einer gestromten Dogge zu tun, denn sie trägt ein Allel Gestromt kbr (und kein dominantes Allel Schwarz Kbl, ansonsten wäre sie schwarz), aber auch ein Allel ky für Gelb, dass gegenüber Gestromt jedoch rezessiv ist und damit unsichtbar bleibt. Des Weiteren besitzt unsere Dogge eine Maske, hat aber neben dem Allel für die Maske Em auch ein Allel E (= „keine Maske“), was jedoch rezessiv gegenüber dem Allel Em ist. Die Verhältnisse zwischen dominanten und rezessiven Allelen sind ausführlich in Teil I und II dargestellt (und wer sie zwischenzeitlich vergessen hat, muss dort nochmal nachlesen Zwinkernd)

 

Aufgrund der unterschiedlichen Allele eines Genes entstehen logischerweise auch Keimzellen mit zwei unterschiedlichen Allelen bei der Auftrennung der beiden Chromosomen des Paares 16:

Abb. 5 : Auftrennung des Chromosomenpaares 16

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Aus den zwei unterschiedlichen Allelen des bei Askan heterozygoten Gens K entstehen also ein Spermium mit dem Allel für Gestromt kbr und ein Spermium mit dem Allel für Gelb ky . Da nun Rüden glücklicherweise in der Regel nicht nur zwei, sondern ein paar Millionen Spermien produzieren, ist es sinnvoller, diese Tatsache in Prozenten auszudrücken: 50% der Spermien tragen das Allel kbr und die anderen 50% das Allel ky.

Genau das gleiche passiert natürlich auch mit dem zweiten heterozygoten Gen in unserem Beispiel, dem Maskengen E:

Abb. 6 : Auftrennung des Chromosomenpaares 5

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Auch hier tragen 50% der gebildeten Spermien das Maskenallel Em und die anderen 50% das Allel "Keine Maske" E.

Ok, nun wissen wir welche Allele in welcher Prozentzahl in den Keimzellen zu finden sind...es bleibt als letzter Schritt, alle möglichen Kombinationen aufzulisten.

 



 Abb. 7 : Auftrennung der drei Chromosomenpaare 16, 5 und 25 und die möglichen Keimzellen

Genotyp und Phänotyp von Askan
    
Spermien von Askan

 

Wie wir sehen, können aus den Allelen der Chromosomenpaare von Askan vier Keimzellen mit unterschiedlichem Allelbesatz entstehen: Nach der Auftrennung der Chromosomenpaare werden die einzelnen Chromosomen in zufälliger Weise auf die entstehen Keimzellen, in diesem Falle die Spermien, verteilt: So erhält man in unserem Beispiel in gleichen Teilen Spermien mit den Allelen kbr-Em-D, kbr-E-D, ky-Em-D und ky-E-D. Das Gleiche trifft natürlich auch auf die Eizellen einer Hündin desselben Genotyps zu.

Aus dem Zusammentreffen der Allele der Chromosomen eines Spermium mit denen einer Eizelle entsteht der Genotyp des Welpen: Welche Farben dabei auftreten können und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie das tun, das lässt sich anhand von Kreuzungsquadraten errechnen...diese sind Gegenstand von Teil 4.