Weiße Abzeichen : Piebald, Mantel und co. - Der klassische intermediäre Erbgang des Piebald-Gens

Die Identifikation des MITF-Gen und dessen Mutation als Verursacher der weißen Abzeichen beruht im Wesentlichen auf seinem Vorkommen beim Boxer: Es gibt bei dieser Rasse drei Phänotypen, einen Durchgefärbten mit sehr wenig Weißanteil (solid), einen Mantelartigen mit großflächigen weißen Abzeichen an Hals, Brust und Unterbauch und weißem Nasenrücken (flashy), sowie einen fast komplett Weißen (Extreme White). Van Hagen et al. fanden heraus, dass die Vererbung der weißen Abzeichen sich wie ein intermediärer Erbgang eines Genes mit zwei Allelen verhält (van Hagen MA, 2004), wobei der durchgefärbte und der weiße Phänotyp die homozygoten Genotypen von jeweils einem der beiden Allele sind und der flashy Boxer der heterozygote Genotyp. Die untenstehenden Diagramme zeigen in Kreuzungsquadraten die typische Aufspaltung nach den Mendel’schen Regeln, wenn zwei heterozygote Genotypen gekreuzt werden: Sie entspricht der Aufspaltung bei der Kreuzung zweier Merle-Träger, wie wir sie bereits in Kapitel 4 kennengelernt haben (zum Vergleich mit diesem Erbgang hier klicken).

 Flashy = heterozygot für Piebald

X

Flashy = heterozygot für Piebald

 

50% der Spermien von Spike

50% der Spermien von Spike

50% der Eizellen von Boxinia

50% der Eizellen von Boxinia

 

Van Hagen et al. gelang es 2004 nicht, das verantwortliche Gen zu identifizieren sondern lediglich, zwei Kandidaten-Gene auszuschließen. Wenig später wurde MITF als Kandidatengen für die Vererbung der weißen Abzeichen beim Boxer in den Vordergrund gestellt (Leegwater PA, 2007). Noch im selben Jahr konnten Karlsson et al. dann die Mutation – die sogenannte SINE-Insertion - des MITF-Gens nachweisen, die mit der Ausbildung der weißen Abzeichen in Zusammenhang steht. Die Mutation wurde in homozygoter Form bei allen untersuchten weißen Boxern und Bullterriern nachgewiesen. Somit entsprach das Verhalten der Mutation in Bezug auf diese Rassen dem von Little postulierten sw-Allel. Der heterozygote Genotyp wies bei allen Hunden dieser beiden Rassen mantelartige weiße Abzeichen („flashy“) auf, wohingegen kein durchgefärbter Hund, sowohl bei Boxern und Bullterriern als auch bei 9 anderen untersuchten Rassen, die betreffende Mutation des MITF-Genes besass. 

Da Little ausser S und sw auch die Allele sp bei Hunden mit Piebald-Zeichnung und si bei solchen mit Mantel-Zeichnung postulierte, wurden im Weiteren zwei Rassen mit fixierter Piebald-(Platten)Zeichnung (Foxterrier und Englischer Springer Spaniel) und zwei Rassen mit fixierter Irish Spotting-(Mantel)Zeichung (Berner Sennenhund und Basenji) hinsichtlich der Mutation untersucht: Die Rassen mit Piebald-Zeichnung wiesen die Mutation auf, diejenigen mit Irish Spotting hingegen nicht. Somit gab es Hinweise, dass ein sp-Allel möglicherweise nicht existiert, sondern Hunde mit Piebald-Fleckung das gleiche Allel sw aufweisen wie fast weiße Hunde und der Unterschied in der Pigmentierung durch Modifikatoren dieses Alleles entsteht. Zum akutellen Zeitpunkt gilt aus diesem Grunde die Mutation in  Form der SINE-Insertation als molekulargenetische einheitliche Identität von sw und sp und wird aus diesem Grund auch als "s" ohne zusätzlichen Index angesprochen.

Was die Mantel-Zeichnung des Irish Spotting betrifft, bleibt offen, ob es sich um ein gänzlich anderes Gen handelt, oder aber um eine andere Mutation – also ein weiteres Allel, das dem postulierten Allel si entspräche  – des MITF-Genes, die bei dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden konnte.

Es sollte noch bemerkt werden, dass weitere Mutationen des MITF-Genes entdeckt wurden, diese aber zumindest im Rahmen dieser Untersuchung nicht in direkten Zusammenhang mit bestimmten Ausprägungen der weißen Abzeichen gebracht werden konnten. Es ist jedoch nicht unmöglich, dass in Zukunft weitere Mutationen dieses Genlocus bestimmten Fellzeichnungen zugeordnet werden können und sich somit als Allele des Piebald-Gens herausstellen.

 

Die Ergebnisse von Karlsson et al. wurden von Schmutz et al. im Jahre 2009 bestätigt, wobei Untersuchungen auf die entsprechende Mutation an 324 Hunden von insgesamt 45 Rassen durchgeführt wurden. Auch 29 Deutschen Doggen waren dabei (Schmutz SM, 2009). Es zeigte sich, dass die dem s-Allel entsprechende Mutation des MITF-Genes weiße Abzeichen rasseabhängig in extrem hoher Variabilität verursachte: Bei vielen Rassen mit variabler Ausprägung einer Piebald-Zeichnung (u.a. Jack Russel Terrier, Englischer Setter, Englischer Pointer, Kleiner und Großer Münsterländer, Papillon) erwiesen sich alle getesteten Hunde als homozygot für s. Dies kann als weiteres Indiz dafür gelten, dass das Postulat der zwei verschiedenen Allele sp und sw so nicht zutrifft. Bei anderen Rassen, in denen sowohl durchgefärbte Hunde als auch mit solche mit Piebald-Zeichnung vorkommen, erwiesen sich die Piebald-gezeichneten Tiere als homozygote Träger von s, während sowohl die heterozygoten (Ss) als auch die homozygoten S-Träger (SS) entweder komplett durchgefärbt waren oder nur minimale weiße Abzeichen hatten. Ein einzelnes s-Allel kann also bei diesen Rassen unbemerkt bleiben.

15 Hunde aus verschiedenen Rassen, bei denen die Mantel-Zeichnung (Weißer Bauch, weißer Halskragen und Brust, weiße Nase) fixiert ist, u.a. 9 Australische Schäferhunde, ein Boston Terrier und ein Corgi, wiesen die Mutation nicht auf. Es scheint sich also zu bestätigen, dass das echte „Irish Spotting“ entweder von einem weiteren und bislang unentdeckten Allel des MITF-Genes verursacht wird oder aber auf die Wirkung eines völlig anderen Genes zurückzuführen ist.

Auch weitere Beispiele für den beim Boxer beobachteten s-abhängigen intermediären Erbgang (siehe Kreuzungsquadrat oben) wurden gefunden: Beim Collie und bei Italienischen Greyhound vererbt sich die Fellfarbe in dieser Weise. Der Collie besitzt allerdings offensichtlich zusätzlich auch das bislang nicht nachgewiesene Gen (oder Allel) für die Mantelzeichnung, denn auch Collies ohne das s-Allel (Genotyp SS) weisen einen Mantel auf, nur hat dieser bei den heterozygoten Hunden mit einem s-Allel (Genotyp Ss) einen höheren Weißanteil.

Zusammenfassend weisen Schmutz et al. darauf hin, dass viele ihrer Daten letztlich eher die weniger bekannte Theorie von Winge (Winge, 1950) von zwei Allelen des Piebald-Genes unterstützen, als das klassischerweise zitierte Postulat der 4 Allele von Little (Little CC, 1957). Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass bei 9 Hunden der Genotyp nicht dem entsprach, was man entsprechend des Phänotyps erwartet hätte…und darunter waren zwei Doggen.