Unveröffentlicher Leserbrief - uDD

Meine Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich die Zusammenfassung des ersten Teils der Studie zum Grautiger von Frau Dr Ina Pfeiffer gelesen. Eine zusammenfassende Erläuterung des Erbganges der gefleckten Doggen und der Grautiger ist für das Verständnis der genetischen Gegebenheiten, die zu diesen Farbvarianten führen, von Nutzen. Leider haben sich in den Text einige Fehler eingeschlichen, die zum einen die Ergebnisse der Studie ungenau oder unverständlich erscheinen lassen, zum anderen das Verständnis der Genetik erschweren, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung von Doggen mit zwei Merle-Genen (Doppel-Merle).

Ich erlaube mir daher, die entsprechenden Textstellen zu zitieren und berichtigend zu kommentieren, wo dies notwendig ist.

 

„Inwieweit von den Grautigern Gesundheitsprobleme ausgehen, ist nicht bekannt. Ferner gibt es keine schlüssigen Abgaben darüber, durch welche Gene oder Vererbungsschemata dieses graue Haarkleid hervorgebracht wird.“

Diese Aussagen sind nicht (mehr) korrekt : Clark et al1 haben 2006 das Merle-Gen bei Grautigern und gefleckten Doggen nachgewiesen, welches nachweislich besonders in homozygoter Konstellation (die sogenannten Doppel-Merle) häufig zu gesundheitlichen Problemen,  insbesondere zu ein- oder beidseitiger Taubheit, führt. Dieser Zusammenhang wird in zahlreichen Veröffentlichungen bestätigt, beispielsweise in der Studie von Strain et al.2

 

„Verpaart man beispielsweise zwei gefleckte Individuen mit dem Genstatus MmHh miteinander, so fallen neben Grautigern gefleckte Doggen und Hunde mit fast schwarzem Fell. Die Varianten MMHH bzw. MmHH sind möglicherweise aufgrund von gesundheitlichen Risiken schon während der Embryogenese (im Mutterleib) nicht lebensfähig oder werden geboren und treten als annähernd fast schneeweiße Doggen auf.“

Seit der wegweisenden Arbeit von Sponenberg3, der 1985 als erster die Existenz des Harlekin-Gens postulierte, bis zu dessen Lokalisierung durch Clark et al4 im Jahre 2008, bestand bei sachkundigen Fachleuten nie der geringste Zweifel daran, dass das Zusammentreffen zweier Harlekin-Gene (also HH) IMMER embryoletal ist, solche Hunde also schlicht und einfach nicht lebend existieren. Sie werden nebenbei in den Schemata nicht dargestellt. Bei den von Frau Pfeiffer erwähnten fast schneeweißen Doggen aus Harlekin-Kreuzungen handelt es sich um Doppel-Merle, die zusätzlich auch EIN Harlekin-Gen (oder auch ein oder zwei Piebald-Gene..) besitzen. (MMHh). Erstaunlicherweise erwähnt Frau Pfeiffer die entstehenden Doppel-Merle in keinem ihrer Kreuzungsbeispiele : Dies ist eine Unterlassung (möglicherweise ein Vergessen?), die die Ergebnisse stark entstellt, wie wir noch sehen werden.

 

„In einer weiteren Verpaarung werden nun MmHh und mmHh miteinander gekreuzt. Es könnten aufgrund der H-Konstellation der Eltern wieder kleinere Würfe fallen, aber neben Grautigern und gefleckten treten auch fast schwarze Individuen auf.“

Das Ergebnis dieser Kreuzung ist der direkte Gegenbeweis für Frau Pfeiffers Aussage, Hunde mit zwei Harlekin-Genen könnten als schneeweiße Tiere geboren werden: Wäre dies der Fall, würden solche Hunde auch bei dieser Anpaarung fallen, da auch hier beide Elterntiere das H-Gen besitzen. Es kommt nun aber nie vor, das bei der Kreuzung von Gefleckten mit Schwarzen reinweisse Hunde fallen.

Dagegen ist die Aufzählung der möglichen Farben bei diesem Beispiel vollständig, denn es können bei dieser Kreuzung keine Doppel-Merle auftreten, da ein schwarzer Hund (außer bei den extrem seltenen „kryptischen“ Merle) niemals das M-Gen besitzt. Deshalb ist dies schließlich die einzig tierschutzrechtlich erlaubte Anpaarung zur Harlekin-Zucht. Da Frau Pfeiffer die Doppel-Merle im vorherigen Beispiel der Kreuzung von Harlekinen untereinander nicht erwähnt, wird dieser elementare Unterschied im Text in keiner Weise deutlich gemacht.

 

„Stellt man sich die Verpaarung von einem gefleckten Hund mit einem Grautiger vor, so kann theoretisch keine HH-Variante entstehen. Die Wurfgrösse ist normal und es fallen neben Grautigern auch gefleckte Hunde mit hohem und/oder weniger umfangreichen Weiß-Anteil. Ferner beobachtet man Hunde ohne Fellfleckung.“

Es werden in der Aufzählung erneut die Doppel-Merle unterschlagen, die häufig fast rein weiß auftreten, obwohl im Schema klar der Anteil von 25% „MM“ zu ersehen ist: Diese Tatsache ist nebenbei ein weiterer Beweis, dass es sich bei den von Frau Pfeiffer erwähnten schneeweißen Doggen um Doppel-Merle handelt, da bei dem vorliegenden Beispiel, wie sie richtig erwähnt, keine HH-Variante entstehen kann.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass die Schemata der Fellzeichnung außerordentlich missverständlich sind : Die Doppel-Merle mit einfachem H-Gen (MMHh) besitzen in den meisten Fällen nur wenige sehr diskrete schwarze Flecken und sind nicht selten quasi reinweiß, was nicht der Zeichnung der Schemata entspricht. Die Flecken der Doppel-Merle ohne H-Gen (MMhh)sind in der Regel in sich selbst grau-schwarz gescheckt und nicht vollständig schwarz auf weißem Grund wie auf den Zeichnungen zu sehen ist. Hier wird das Verständnis durch die unklare Darstellung nicht gefördert.

 

„Ein ebenso viel versprechendes Bild bietet die folgende Variante: Wenn man gefleckt mit doppel-faktoriell Merle und hh verpaart : Die Wurfstärke sollte unbeeinflusst sein und die Hunde sind neben Grautiger-Färbung durchgängig gefleckt.“

Bei dieser besonders riskanten Paarung fallen nicht etwa nur Grautiger und Gefleckte, sondern mehrheitlich Doppel-Merle, statistisch gesehen 50%. Entweder es liegt hier ein wirklich krasses Versehen vor, oder aber Frau Pfeiffer zählt Doppel-Merle bewusst zu den Gefleckten, obwohl es klar sein sollte, dass gefleckte Doggen stets den Genotyp MmHh aufweisen, und niemals Doppel-Merle (MMHh oder MMhh) sind.

Was immer zutrifft, beides ist wohl in hohem Maße unverständlich.

 

„Andererseits stellen die Grautiger somit einen Hund dar, der diesen Pigment-Ausschalt-Mechanismus (Anmerkung: Gemeint ist der Mechanismus des H-Gens, der aus einem Grautiger einen Gefleckten macht) nicht wirklich aufzuweisen scheint. Damit schwächt sich auch die Hypothese ab, dass der dominante Merle-Faktor in diesen Hunden potentiell für Seh- und Hörschwächen verantwortlich sein soll. Untersuchungen haben gezeigt, dass keine der Gefleckt- oder Grautiger-Doggen im Test-Pool bei diesen Sinnesleistungen Defizite aufweist. Somit scheint sich die Hypothese von Merle und Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der Deutschen Dogge im Mm-Genstatus nicht nachteilig auszuwirken. Von daher eröffnet sich die Frage, in wie weit Merle gekoppelte Vitalitäts-Problematiken überhaupt im Zusammenhang damit bei der Deutschen Dogge stehen ?“

Die Fachwelt ist sich absolut einig, dass das Merle-Gen, solange es in einfacher Dosis vorliegt, keine oder nur sehr geringe Störungen der Sinnesleistungen hervorruft : Es ist also nur logisch, dass bei Grautigern und Gefleckten keine solchen Beeinträchtigungen auftreten: Dieses ist bei allen Hunderassen, die mit Merle-Faktor züchten, ganz genau so der Fall. Ebenso ist es aber erwiesen, dass das Vorhandensein von zwei Merle-Gene bei einem Hund das Risiko einer Behinderung der Sinnesleistungen sprunghaft in die Höhe schießen lässt. Zahlreiche taube weiße Doggen in den Ländern, die Harlekin-Kreuzungen erlauben, sind wohl Beweis genug, dass die Doggen eben keine Ausnahme bilden...es gibt auch überhaupt keinen Grund dies anzunehmen. Es gibt auch konkrete und eher traurige Beispiele von Würfen die nach Kreuzungen von Gefleckten mit Doppel-Merle gefallen sind. Angesichts der dabei geborenen Hunde bleibt die Bezeichnung „viel versprechend“ doch eher unverständlich.

 

Wie oben dargelegt, kann das Harlekin-Gen für das Entstehen solcher weißer behinderter Doggen nicht verantwortlich gemacht werden, die (korrigierten) Kreuzungsergebnisse widerlegen dies eindeutig, was ich aufgrund der Wichtigkeit dieser Feststellung nochmals kurz zusammenfassend wiederholen möchte:

Überwiegend weiße, behinderte Doggen können auch ohne Beteiligung von zwei H-Gen-Trägern auftreten, es ist ausreichend, wenn beide Eltern das Merle-Gen besitzen : Auch bei Anpaarungen zwischen zwei Grautigern, die Merle-Träger ohne Harlekin-Gen sind, entstehen unter anderem überwiegend weiße Hunde mit hohem Risiko, eine Behinderung aufzuweisen.

Überwiegend weiße, behinderte Doggen treten dagegen niemals auf, wenn mindestens einer der Eltern kein Merle-Gen besitzt, auch wenn beide Eltern H-Gen-Träger sind: Dies ist der Fall, wenn man eine schwarze Dogge, die Harlekin-Träger ist, mit einem Gefleckten oder einem Grautiger kreuzt.

 

Abschließend sei zu vermerken, dass es ja auch höchst erstaunlich wäre, wenn das Auftreten von überwiegend weißen und tauben Hunden bei allen mit dem Merle-Faktor züchtenden Rassen mit eben diesem Merle-Faktor in Zusammenhang stünde, doch ausgerechnet bei den Doggen das Harlekin-Gen, welches die anderen Rassen gar nicht besitzen, für das Entstehen von weißen tauben Hunde verantwortlich wäre...

 

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Dr Cornelius Sachde

 

Quellen :

 

1Retrotransposon insertion in SILV is responsible for merle patterning of the domestic dog

(Leigh Anne Clark, Jacquelyn M. Wahl, Christine A. Rees, and Keith E. Murphy)

 

2 Prevalence of Deafness in Dogs Heterozygous or Homozygous for the Merle Allele

(G.M. Strain, L.A. Clark, J.M. Wahl, A.E. Turner, and K.E. Murphy)

 

3 Inheritance of the harlequin color in Great Dane dogs (D. Phillip Sponenberg)

 

4 Genome-wide linkage scan localizes the harlequin locus in the Great Dane to chromosome 9

(Leigh Anne Clark, Alison N. Starr, Kate L. Tsai, Keith E. Murphy)